Die Hure Babylon
war.
Die Damaszener, einst Verbündete Jerusalems, hatten sich an Nur ad-Din von Aleppo gewandt und ihn, ihren früheren Feind, um Hilfe angefleht, als die Christen sie belagerten. In Eilmärschen war er gekommen. Gemeinsam hatten sie das christliche Heer in die Zange genommen und aufgerieben.
Die Verluste unter den Christen waren gewaltig. Fast alle Templer, wie immer die Tapfersten, hatten auf dem Schlachtfeld den Tod gefunden, unter ihnen auch der gütige Hugues de Bouillon. Die Könige und der Großmeister waren nur mit Mühe entkommen und nach Jerusalem geflohen. König Konrad habe noch vorgehabt, mit den Resten seiner Truppen das ägyptische Ascalon zu belagern, aber auch diesen Plan hatte er bald aufgegeben, als Louis ihm nicht helfen wollte. Denn Louis hatte genug vom Krieg. Er würde die Welt nicht mehr verstehen, so hieß es, und alle Tage auf den Knien in der Grabeskirche zu Jerusalem verbringen.
Das also war das endgültige Ende der stolzen
militia christi.
Wenn man Franken und Alemannen zusammenzählte, waren einst mehr als vierzigtausend ausgezogen. Der Großteil davon war auf dem Schlachtfeld gefallen, zu Krüppeln verstümmelt oder unterwegs an Hunger und Fieber verreckt. Dazu waren Tausende von den Türken gefangen genommen und versklavt worden. Aus Gründen, die niemand begriff, hatte Gott sie alle verlassen. Von den Überlebenden hatten die meisten jetzt nichts anderes mehr im Sinn, als irgendwie den Weg nach Hause zu finden.
Aber das war für viele nicht so einfach. Und so gab es genug Veteranen, die ziellos umherwanderten und einen Herrn suchten. Nicht verwunderlich, dass Bertrans Truppe immer mehr kriegserfahrene Kämpfer zuliefen. Bald hatten sie über hundert Mann.
In den warmen Septembernächten redeten die Freunde viel über die vergangenen fünfzehn Monate und was die Erlebnisse für jeden von ihnen bedeuteten. Arnaut fragte sich, was aus Felipe geworden war. Armer Felipe. War er nach Outremer gekommen, um den Tod zu suchen? Lebte er noch? Und Ermengarda? Trauerte sie noch immer um ihr verlorenes Kind?
Es kam ihm vor, als wären sie alle nur Staubkörner im Weltgetriebe, von Stürmen durcheinandergewirbelt, von Gott vergessen. Er und Bertran und die anderen ihrer Bande waren auf ihrem schicksalhaften Weg irgendwie hier in den Bergen des Libanon gelandet und lebten trotz ihrer Erfolge wie die Tiere in der Wildnis. So schön die Felsschluchten und Wadis waren, so herrlich die Zedernwälder, in denen sie hausten, nur, was zum Teufel hatten sie hier zu suchen?
»Hört auf, andauernd von der
militia
zu reden«, sagte er eines Abends ärgerlich und warf den Wildschweinknochen ins Feuer, an dem er genagt hatte. »Die
militia
ist erledigt. Ich will nichts mehr davon hören. Vorbei, Vergangenheit. Seien wir froh, dass es uns noch gibt, und überlegen wir lieber, wie es weitergehen soll. Wie lange wollen wir eigentlich noch die Gegend unsicher machen, Bertran?«
»Der Winter kommt schneller, als man denkt«, pflichtete Severin ihm bei.
Auch Jori hatte etwas zu sagen. »Joana ist schwanger«, er legte ihr die Hand auf den Bauch, »wir können nicht ständig im Wald hausen.«
Bertran nickte. »Ich denke auch schon die ganze Zeit darüber nach. Wenn wir eine feste Burg hätten, dann bräuchten wir uns nicht mehr zu verstecken.«
»Hast du etwas im Sinn?«
»Erinnert ihr euch an die Burg, an der wir auf dem Weg von Tortosa vorbeigekommen sind? Wie hieß sie noch?«
»Du meinst Arima?«
»Ja, so hieß sie. Wenn wir die in unsere Gewalt brächten, könnten wir die Küstenstraße beherrschen wie auch den Handelsweg nach Homs. Es würde uns an nichts fehlen. Und mit den Männern, die wir jetzt haben, kann Raimon uns nicht mehr verjagen. Das wäre endlich der Grundstein für ein Leben in diesem Land. Und vielleicht für mehr.«
Severin und Arnaut sahen sich an.
»Du bist verrückt, Bertran. Die Burg können wir nicht einnehmen.«
»Das wissen wir erst, wenn wir es versucht haben.«
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Buch V
Oktober, Anno Domini 1148
Der Heerzug gegen die Sarazenen hat ein unrühmliches Ende gefunden. Konrad kehrt geschlagen heim, Louis liegt in Jerusalem auf den Knien, um Gott nach dem Warum zu fragen. Für Bernard Clairvaux ist die Schuld allein bei den Kriegern Christi zu suchen. Zu viele Sünden hätten sie auf sich geladen.
Ermengarda und der Mönch
G estern Abend, zu meiner großen Überraschung, kehrte Bruder Aimar von seiner langen Pilgerreise zurück. Es war ein so freudiger Schreck,
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