Die Hure Babylon
Wort, Hodierna, und ich schick dich packen, zurück zu deiner Schwester. Deine ewigen Sticheleien habe ich gründlich satt.«
Ohne etwas zu sagen, erhob sie sich, nahm einen neuen Kelch vom Seitentisch, beugte sich vor und schenkte ihm ein. Ihre Haltung erlaubte Raimon einen tiefen Blick auf wohlgeformte Brüste, eingerahmt in einem etwas zu weiten Ausschnitt. Befriedigt nahm sie sein unwillkürliches Starren zur Kenntnis und ließ sich mit einem herausfordernden Lächeln wieder auf ihrem Stuhl nieder.
»Du willst mich fortschicken,
mon amor?
«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
Der junge Graf fluchte innerlich, denn beide wussten, dass er sie niemals fortschicken würde. Dafür war er viel zu gierig nach ihrem sündigen Hintern.
Josselin war das kleine Zwischenspiel nicht entgangen. »Wenn ihr beiden so weit seid, können wir vielleicht die Unterhaltung fortsetzen«, sagte er gereizt.
Raimon nahm einen tiefen Schluck.
»Nur damit du’s weißt, Josselin. Zweimal haben wir schon versucht, sie auszuräuchern.«
»Ich habe davon gehört. Aber mit der rechten Entschlossenheit lässt sich jede Festung nehmen oder mit schwerem Kriegsgerät. Probier’s mit Untertunneln, bis die Mauern einstürzen.«
»Soll ich etwa meine eigene Burg zerstören?«
»Wenn nötig«, erwiderte Josselin. »Aber eigentlich wollte ich dir etwas ganz anderes vorschlagen. Du kennst die Fabel mit der Maus, nehme ich an. Die Maus kommt immer wieder aus dem Loch, um im Haus der Katze zu fressen. Dabei wird sie immer gieriger und immer fetter, bis sie nicht mehr durchs Loch passt und schließlich von der Katze gefressen wird.«
Der Graf sah ihn verständnislos an. »Was sollen die dummen Tiergeschichten?«
»Wir sind uns einig, dass Bertran verschwinden muss. Und mit der Burg hat er sich übernommen. Dort müssen wir ihn packen. Dabei ist aber auch noch eine andere Sache zu bedenken. Nehmen wir an, du erwischst ihn. Was willst du dann mit ihm anstellen?«
»Ich knüpfe ihn auf. Wie einen verdammten Wegelagerer, der er ist.«
»Nachdem du Alfons Jordan umgebracht hast, willst du nun auch noch seinen Sohn ermorden?«
»Ich habe Alfons nicht getötet. Du hast …«
»Hör mir zu, Raimon. Die Wahrheit hat keine Bedeutung. Nur, was alle Welt glaubt, zählt am Ende. Es sähe verdammt schlecht aus, wenn du den Sohn aufknüpfen ließest. Outremer braucht Anführer, zu denen die Welt aufschauen kann. Schließlich sind wir das Bollwerk der Christenheit. Melisende müsste sich fragen, ob du der rechte Mann für dieses Lehen bist.«
Graf Raimon war sprachlos vor so viel unverfrorener Niedertracht. »Willst du mir etwa drohen?«
»Natürlich nicht. Wir müssen die Sache nur vernünftig angehen.«
Raimon starrte ihn lange an. Nach einem weiteren Schluck aus seinem Kelch begann er einzusehen, dass Josselin vielleicht recht haben könnte. Sein Vetter Bertran war nicht nur ein Ärgernis, der Kerl hatte auch noch das Mitgefühl vieler Edelleute an den Höfen von Outremer. Und mehr noch das ihrer Damen. Für sie war er eine romantische Figur.
»Ich sehe, du hast einen Plan«, brummte er. »Lass hören.«
»Du musst es doch gar nicht selbst tun«, grinste Josselin. »Niemand könnte dich des Vetternmords beschuldigen, wenn es die Sarazenen für dich erledigten.«
»Soll ich etwa die
Haschischin
verpflichten? Das wäre genauso durchsichtig.«
Diese Sekte moslemischer Glaubensfanatiker trieb schon lange ihr Unwesen in Syrien. Es war ihnen bereits mehrfach gelungen, religiöse Gegner oder unliebsame Emire durch Mordanschlag zu beseitigen, zumeist auf der moslemischen Seite. Ihr Erfolg lag darin, dass es den Attentätern gleich war, ob sie erwischt wurden oder nicht. Der eigene Tod schreckte sie wenig. Es wurde gemunkelt, dass sogar schon christliche Fürsten sich ihrer Dienste versichert hätten.
»Nein, nicht die
Haschischin.
Aber du hattest doch immer gute Beziehungen in Damaskus.«
»Die Damaszener sollen meine Burg einnehmen?«
»Warum nicht? Dann stehst du sauber da.«
»Nach eurer schwachsinnigen Entscheidung, gegen Damaskus Krieg zu führen, werden die kaum bereit sein, uns diesen Gefallen zu tun.«
»Gerade deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, glaub mir. Jeder wird annehmen, es handle sich um einen Rachefeldzug. Ich denke da an Muin ad-Din Anar, den Statthalter. Wir haben damals seinen schmutzigen kleinen Handel gedeckt, du erinnerst dich. Er schuldet uns etwas.«
»Wenn du meinst.«
»Wird dich etwas kosten. Aber dann bist du
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