Die Hure Babylon
Wachmann?«
Wie konnten sie nur so unbekümmert tun?, dachte Beatriz. Ihr selbst war ganz flau im Magen bei dem, was bevorstand.
Der alte Elias kam und betrachtete sie eingehend von Kopf bis Fuß. Dann zeigte er auf die Stiefel und schüttelte den Kopf.
Nun mussten einfache abgetretene Sandalen her, wie die Bauersfrauen sie trugen. Bevor sie hineinschlüpften, rieben sie sich ihre blütenweißen Zehen, die nie die Sonne gesehen hatten, gründlich mit Staub ein.
»Ich glaube, das reicht«, sagte Arnaut. »Noch etwas Dreck unter die Fingernägel, dann geht’s los.«
Er schenkte Beatriz ein aufmunterndes Lächeln, das ihr Herz wärmte. Für den Augenblick jedenfalls.
Zwei Maultiere wurden angespannt, und die Männer kletterten mit blanken Schwertern in ihr Versteck auf dem Karren. Die Bauern häuften Heu darüber, bis beim besten Willen nichts mehr von ihnen zu sehen war. Constansa nahm eines der Zugtiere am Halfter, und schließlich rumpelte der Karren aus dem Dorf.
Schweigend stand die gesamte Dorfgemeinschaft und verfolgte mit bangen Blicken ihren Weg durch die Felder und am Flüsschen Nahr Abrasch entlang, an dem weiter oben die Burg lag.
Es war ein warmer Oktobertag, und obwohl es noch früh war, brannte die Sonne schon unbarmherzig auf sie herab. »Wie geht es euch da drinnen«, fragte Constansa auf halbem Wege.
»Wir ersaufen am eigenen Schweiß«, war die gedämpfte Antwort.
»Wollt ihr Wasser?«
»Nein, nein. Wir halten es schon aus.«
Endlich rollte der Wagen über eine kleine Holzbrücke, und sie begannen auf dem anderen Ufer den langen Aufstieg zur Burg. Sie bildete ein langgezogenes Rechteck, dessen Stirnseite zum Meer wies. Hohe, zinnenbewehrte Mauern aus klobigen Steinen vermittelten den Eindruck, als könnten sie jedem Angriff standhalten. Darüber ein wuchtiger Bergfried, von dem das Banner des Grafen von Tripolis wehte.
Der Standort war gut gewählt. Inmitten dichtbewaldeter Erhebungen, die eine Belagerung erschweren würden, lag der eigentliche Burghügel wie der Kern in einer Nuss, von zwei Wasserläufen eingeschlossen, die hier zusammenflossen. Zugang zur Burg war nur von der östlichen, vom Meer abgewandten Seite möglich.
Die schmale Straße, der die beiden Frauen folgten, stieg stetig entlang der steilen Hügelflanke auf, beschrieb am östlichen Ende eine weite Kurve und führte über die letzten zweihundert Schritt bis zur Zugbrücke und durch das Burgtor. An der Wende erschien kurz Bertrans Gestalt hinter dem Stamm einer Steineiche. Sein Gesicht war angespannt, aber der erhobene Daumen bestätigte, dass alles in Ordnung war.
»Sie sind vor Ort«, raunte Constansa, gerade laut genug, damit die Männer im Heuwagen sie hören konnten.
Anzuhalten wagte sie nicht, und so marschierten sie mit klopfendem Herzen weiter über die letzte Strecke, die von Sträuchern und Bäumen entblößt war, um freies Schussfeld von der Zinne zu bieten. Die Zugbrücke überspannte einen tiefen Graben, der die gesamte Festungsanlage umgab.
»
Putan.
Das Tor ist geschlossen«, flüsterte Constansa. »Die schlafen wohl noch.«
Kurz entschlossen hob sie einen faustgroßen Stein auf und warf ihn mit Wucht gegen das Tor. Der donnernde Aufprall schien durch die ganze Burg zu dröhnen. Beatriz fasste sich vor Schreck an die Kehle, als wollte sie verhindern, dass ihr das Herz zum Hals hinaussprang.
Nach einer Weile öffnete sich eine Luke oberhalb des Tors, und ein verschlafenes Gesicht schaute heraus.
»Was zum Teufel?«, rief der Kerl mürrisch herunter.
Constansa antwortete nicht, sondern deutete nur auf den beladenen Heuwagen. Der Kopf nickte kurz und zog sich zurück. Doch es dauerte noch lange, bis sich endlich erst der eine, dann der andere Torflügel öffnete.
Jetzt war es so weit. Beatriz hatte plötzlich das dringende Bedürfnis zu urinieren und war kurz davor, in Panik wegzulaufen, als Constansa die Zügel packte und die Maultiere mit einem Zungenschnalzen antrieb. Der Karren rollte durchs Tor und kam kurz dahinter im Burghof zum Stehen.
»Ein bisschen früh, ihr Hübschen«, knurrte der Torwächter, ein untersetzter Kerl in mittleren Jahren, der sie mit blutunterlaufenen Augen musterte. Er trug weder Helm noch Rüstung, nur sein Schwert am Gürtel.
Beatriz kniff mit angehaltenem Atem die Lippen zusammen. Ihre Blase drückte fürchterlich. Constansa tat, als verstünde sie nichts.
»Wo ist Elias?«, fragte der Mann misstrauisch.
Constansa zuckte mit den Schultern. »Krank.«
»Euch beide
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