Die Hure Babylon
niederrang, seinen Mund mit Küssen versiegelte, bis er um Gnade flehte und sich erneut ihrer hemmungslosen Leidenschaft ergab.
Später, nachdem sie die Kerzen gelöscht und Ermengardas ruhige Atemzüge neben ihm zu hören waren, lag Arnaut noch lange wach und dachte über diese plötzliche Wende nach. Er war besorgt, denn es war nicht das erste Mal. Schon vor über einem Jahr war sie schwanger gewesen.
Zuerst hatten sie sich lange vorgesehen. Ein Bastardkind in ihrer Stellung? Unmöglich würde man meinen. Was bei Männern nicht mehr als hochgezogene Brauen bewirkt hätte, war ehrbaren Damen strengstens verwehrt. Allmählich hatte sich bei Ermengarda jedoch eine Wandlung vollzogen. Ihre Herrschaft über die Vizegrafschaft hatte sich gefestigt, sie war beliebt bei Volk und Adel gleichermaßen. Darum sehe sie nicht ein, warum sie nicht wie andere Frauen leben dürfe. Wer wollte es ihr verwehren? Solle sich doch, wer will, das Maul zerreißen. Arnaut war bei der Sache nicht geheuer gewesen, doch Ermengarda blieb entschlossen. Und was sie sich in den Kopf setzte, führte sie auch durch.
Doch es hatte nicht sein sollen. Eines Morgens war sie mit Blut zwischen den Beinen aufgewacht. Gottlob noch sehr früh in der Schwangerschaft. Arnaut hatte sich mehr als sie erschrocken. So etwas käme vor, hatte sie gesagt, bald werde Gott ein Einsehen haben und ihnen ein gesundes Kind schenken.
Nun war es also so weit. Er freute sich. Aber da waren auch gewisse Fragen. Das Kind würde als Bastard gelten. Würde es geächtet werden? Was wären seine Rechte? Darüber solle er sich keine Sorgen machen, hatte Ermengarda gesagt. Rechte und Privilegien bestimme immer noch sie als Fürstin. Seine Mutter Adela wäre wahrscheinlich selbst über einen Bastard glücklich. Auch Raol würde es begrüßen, schon aus Bündnisgründen. War er denn der Einzige, dem unwohl bei der Sache war?
In der Dunkelheit fand seine Hand die kleine Madonnenfigur. Mach, dass alles gut wird, flüsterte er und sprach ein kurzes Gebet.
Wahrscheinlich machte er sich ganz unnötige Gedanken. Ob es wohl ein Sohn würde? Andächtig legte er die Hand auf Ermengardas Bauch. Sie seufzte leise im Schlaf, murmelte etwas Unverständliches und drehte sich auf die Seite. Der Duft, der ihrer warmen Haut entströmte, ließ ihn wohlig in den Schlaf hinüberdämmern.
Der Gesandte der Königin
D er März brachte Sonne und den ersten Hauch warmen Wetters, so dass die Menschen ihre wollenen Mäntel ablegten und aus den Häusern kamen wie nach einem langen Winterschlaf.
In Ermengardas Garten erblühten fast über Nacht Krokus, Märzveilchen und Lerchensporn und erfreuten das Herz mit ihren zarten Farben. Ganz ähnlich belebte sich der Marktplatz vor dem vizegräflichen Palast mit den bunten Gewändern edler Damen, die nun zwischen den Ständen schlenderten und mit den Händlern feilschten, während ihre jungen Mägde, die körbeweise Einkäufe zu schleppen hatten, kecke Blicke um sich warfen, wenn ein hübscher Bursche ihren Weg kreuzte.
Die Falkenjagd lebte wieder auf, und auch im Palast nahm das höfische Leben neuen Schwung. Feste wurden gefeiert; es wurde gespeist, gescherzt und getanzt,
joglars
verblüfften mit ihren Künsten, und
trobadors
trugen die Lieder vor, die sie im Winter ersonnen hatten. Es war eine Ehre, zu solchen Gelegenheiten bei Hofe geladen zu sein. Ermengarda thronte auf ihrem Sitz wie die anmutige Muse der schönen Künste, Arnaut niemals weit von ihrer Seite. Und ein lebenslustiger Peire Rogier, der schon lange bei Hofe weilte und es inzwischen zu einiger Berühmtheit als
trobador
gebracht hatte, herrschte über die Gaukler und Spielleute wie ein König der Diebe.
Doch es gab auch Ernsteres als Spiel und Gesang. Arnaut saß mit den Großen der Vizegrafschaft im Rat der Fürstin, obwohl das Gezerre zwischen Bürgertum und Stadtadel und die ewigen Wortgefechte über Zölle, Marktrechte und Privilegien ihn eher langweilten. Wenn Ermengarda ihn nicht besonders darum bat, überließ er dies gerne seinen Freunden Raimon und Felipe.
Letzterer war der einzige Sohn aus dem großen Geschlecht der Menerbas, die über eine Festungsstadt nordwestlich von Narbona herrschten. Auf der gemeinsamen Flucht vor vier Jahren wäre es fast zum Bruch zwischen ihnen gekommen, denn auch Felipe hatte damals nur Augen für Ermengarda gehabt. Inzwischen war er jedoch mit einer von Raimons Schwestern verheiratet und zum wortgewandten Fürsprecher des Adels geworden. Er konnte der
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