Die Hure Babylon
lassen.
Jori war an Arnauts Ungestüm gewöhnt. Wenn sein Herr ein Ziel vor Augen hatte, ließ er sich ungern davon ablenken und musste es auf geradem Weg ansteuern. So erreichten sie Narbona schon am frühen Nachmittag des zweiten Tages.
Arnaut schickte die Jungen in den
palatz vescomtal,
um die Pferde zu versorgen und das Gepäck in seine Gemächer zu tragen. Er selbst begab sich, mit seinem Wallach am Zügel, zu einem ihm bekannten und vertrauenswürdigen Juden, mit dessen reicher Familie auch schon Großvater Geschäfte gemacht hatte. Dort hinterlegte er sein Gold zu einträglichen Bedingungen, denn den Juden war es erlaubt, Zinsen zu vereinbaren, solange es nicht in Wucher ausartete. Dann eilte auch er in den Palast, ungeduldig, Ermengarda endlich wieder in die Arme zu schließen. Noch im Pferdestall ließ er sich von Jori die schwere Rüstung abnehmen und das verschwitzte Lederwams. Dann stürmte er die Treppe hinauf zum Wohnbereich der
vescomtessa.
Im ersten Stockwerk kam ihm sein Freund Severin entgegen.
»Eh,
mon velh
«, rief der freudig und umarmte ihn. »Du bist zurück. Die
domina
verzehrt sich schon nach dir.«
»Wo ist sie?«
»Im Augenblick empfängt sie eine Abordnung der Bürgerschaft. Die machen alle schrecklich ernste Gesichter. Ich fürchte, das wird dauern.«
Severin war eigentlich Lehnsmann der Montalbans von Rocafort, denn er stammte aus Arnauts Tal, wo seine Familie ein einträgliches Gut unterhielt. Aber nachdem er damals beim Angriff auf den Palast Ermengardas Leben gerettet hatte, war er zum
capitan
der vizegräflichen Leibwache aufgestiegen und meist in ihrer Nähe anzutreffen.
»Worum geht’s?«, fragte Arnaut.
»Das Übliche, denke ich. Der Hafenausbau, Zölle, Marktrechte, du weißt schon. Ach, und der Erzbischof will eine Sondersteuer erheben, gegen die sich die reichen Bürger auflehnen.«
»Was für eine Steuer?«
»Für die, die sich weigern, ins Heilige Land zu ziehen. Die sollen wenigstens zahlen, damit man Ärmere bewaffnen kann. Seit dieser Abt Bernard hier war, sind alle verrückt geworden, wenn du mich fragst.«
»Clairvaux?«
Severin nickte. »Aber komm. Ich lad dich zu einem Becher ein.«
Sie wanderten über den Marktplatz und begaben sich zu ihrer Lieblingstaverne,
Al Peis d’Argent
– Zum Silbernen Fisch, in der Nähe des Wassertors. Abends war in dieser gemütlichen Fischerspelunke die Hölle los, doch jetzt am Nachmittag war der Schankraum nur mäßig besetzt. Severin bestellte Wein und Oliven und konnte es nicht lassen, ein paar Scherze mit den stadtbekannten Huren auszutauschen, die hier für gewöhnlich auf Kundschaft lauerten. Er schien wie immer guter Dinge zu sein. Es war selten, dass man Severin mürrisch sah.
»Also, was hatte der große Clairvaux denn hier zu suchen?«, nahm Arnaut den Faden wieder auf, nachdem sie sich den ersten Schluck gegönnt hatten.
»Hat eine gewaltige Rede auf dem Marktplatz gehalten. Du hättest den Auflauf sehen sollen. Ganz Narbona war da und hat sich heiser geschrien. Jedenfalls soll es den Sarazenen jetzt an den Kragen gehen. Und wer sich dem bewaffneten Pilgerzug anschließt, kommt gleich ins Paradies. Seitdem ist die Stadt in Aufruhr, und in allen Kirchen sammeln sie für den Heiligen Krieg.«
»Und König Louis hält sein Wort?«
»Wir hörten, dass er sich vor kurzem mit seinen wichtigsten Vasallen getroffen hat, um über den Reiseweg für das Heer zu beraten. Außerdem heißt es, der König der Alemannen will sich nun auch beteiligen. Stell dir vor.«
»
Mon Dieu.
Das hat es ja noch nie gegeben. Zwei Könige.«
»Ich sage dir, mir juckt es auch schon im Hintern.«
»Ach, das ist doch nur was für beutegierige Raufbolde und landlose Abenteurer. Oder hast du es eilig, deine Sünden abzubüßen?«
»Was für Sünden?«, fragte Severin entrüstet.
»Na, deine Weibergeschichten.«
»Ein bisschen Spaß darf man doch noch haben, oder?«
»Jedenfalls hast du es gut hier. Ermengarda hat dich mit Landgütern belehnt. Jetzt bist du wer. Was hast du in Outremer zu suchen?«
»Vielleicht hast du recht«, brummte Severin. »Aber es ist schon schwer, hier zu sitzen, wenn alle Welt in den Krieg zieht.« Er fuhr sich durch den widerborstigen Haarschopf, der durch nichts in der Welt zu bändigen war. Dann nahm er einen tiefen Schluck vom billigen Schankwein.
»Geht es deinem Großvater eigentlich besser?«
»Er ist gestorben«, erwiderte Arnaut leise.
Severin starrte ihn erschrocken an. »
Putan.
Warum hast du
Weitere Kostenlose Bücher