Die Hure Babylon
mir das nicht gleich gesagt?«
Arnaut zuckte hilflos mit den Schultern. Trotz Beerdigung und Trauerfeiern wurde ihm erst jetzt in aller Deutlichkeit bewusst, dass Großvater Jaufré nun für immer von ihnen gegangen war. Nie mehr würde er sein wettergegerbtes Gesicht sehen oder den sanften Spott in seiner Stimme hören, mit dem er sie als Jungen zurechtgewiesen hatte, noch die rauhen Soldatenflüche, wenn ihm etwas gegen den Strich gegangen war.
»Er war lange krank. Am Ende ist er dem Fieber erlegen.«
»Warst du dabei?«
»Die ganze Familie. Er war mit sich selbst im Reinen, glaube ich, und ist in der Nacht entschlafen.«
Severin bestellte gleich mehr Wein, denn die Nachricht rief nach einem ordentlichen Besäufnis. In stummer Trauer tranken die Freunde und gedachten des alten Haudegens, denn auch für Severin war er wie ein Vater gewesen. Beide hatten ihre Waffenausbildung bei ihm und Hamid genossen.
Nach dem zweiten Krug meldete sich bei Arnaut der Hunger, und sie verlangten vom Wirt, ein gebührendes Mahl aufzutragen. Bei siedend heißen Flusskrebsen, Muscheln in Weinsud und gegrilltem Fisch erinnerten sie sich an ihre wilden Jungenstreiche, an so manche Tracht Prügel, die sie dafür bezogen hatten, und an den harten Drill, den Jaufré ihnen auferlegt hatte. Ein strenger, aber gutherziger Lehrmeister war er gewesen.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Severin nach Stunden. Er wischte sich das Fett mit einem Rest Brot aus dem Gesicht und träufelte Zitrone über die Finger.
Arnaut ließ den Wirt kommen, um zu zahlen. Das Mahl und Severins Gesellschaft hatten ihm gutgetan. Es war wie der gebührende Abschluss seiner Jugendjahre. Großvater war begraben. Nun musste man nach vorne schauen und sehen, was das Leben so brachte. »Trink endlich aus und lass uns gehen. Mich verlangt nach meinem Mädchen.«
»Das rechte Wort zur rechten Stund«, grinste Severin und blickte sich suchend um. Dann zwinkerte er einem der losen Weiber im Hintergrund zu. »Geh nur«, murmelte er. »Ich komme später.«
♦
»Jetzt erst traust du dich her?«, schmollte Ermengarda.
»Du warst mit deinen Ratsherren beschäftigt.«
»Die sind lange weg. Wo bist du gewesen?«
»Severin und ich haben gespeist.«
»Nicht wieder in dieser Kaschemme? Und mich lässt du warten. Gefalle ich dir etwa nicht mehr?« In gespielter Entrüstung wandte sie ihr Gesicht ab.
Arnaut packte sie um die Taille und drückte ihr einen wilden Kuss auf den Mund. »Ich will dir zeigen, wie du mir gefällst.«
Voll aufgestauter Leidenschaft erwiderte sie sein Ungestüm. Aber nur für einen Augenblick. Dann rümpfte sie die Nase und stieß ihn von sich.
»Du stinkst, Arnaut! Nach Wein, Schweiß und Fisch. Geh dich waschen.«
Sie rief nach ihren Mägden und verordnete ihm ein heißes Bad, bevor er sich ihr noch weiter nähern durfte. Während sie warteten, dass das Bad gerichtet wurde, erzählte er, wie es ihm ergangen war. Nur von dem Gold sagte er nichts, wie ihm sein Oheim aufgetragen hatte.
Ermengarda strich ihm durch die dunklen Locken. »Deine Mutter muss es hart getroffen haben.«
»Es hat sie wieder an den Tod meiner Großmutter erinnert. Sie fühlt sich etwas verlassen, glaube ich.«
Ermengarda kannte das Gefühl aus ihrer Kindheit. Seltsam, dass selbst eine reife Frau wie
Domna
Adela sich beim Tod ihres Vaters immer noch wie ein verlassenes Kind fühlte. Blieb man denn ewig Kind?
»Und ich raube ihr auch noch den Sohn«, sagte sie.
Er fasste sie unters Kinn und küsste sie auf die Lippen. »Du bist mein Leben«, raunte er.
»Bin ich das?« Ihre Augen leuchteten.
Dieses strahlende Blau hatte ihn vom ersten Augenblick an verhext. Er strich ihr zärtlich über die Wange. »Du weißt es doch.«
Das Bad stand nun bereit, und die Mägde verschwanden mit scheuen Blicken aus der Kammer. Arnaut zerrte sich die Kleider vom Leib, um vorsichtig in das dampfende Wasser des großen Zubers zu steigen, den sie im Nebenraum für ihn hergerichtet hatten.
Beim Anblick seiner breiten Schultern und den von Waffenübungen gestählten Muskeln wurde Ermengarda ganz heiß unter ihrem dünnen Hemd. Am liebsten hätte sie es sich ebenfalls vom Leib gerissen und sich auf ihn gestürzt. Bei dem Gedanken, ihn jetzt auf der Stelle und ganz schamlos im Badewasser zu verführen, musste sie lachen. Die strenge
Domna
Anhes würde vor Entsetzen in Ohnmacht fallen. Aber nein. Ein wenig Warten würde das Wiedersehen nur noch süßer machen.
Wann sollte sie ihm die gute
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