Die Hure Babylon
und Ausgaben. Da Bruder Aimar nicht mehr da war, ihm zu helfen, hatte er sich noch mehr Arbeit aufgebürdet. Dabei sollte ich mich schämen, seine heimliche Schwärmerei für mich so eigensüchtig auszunutzen.
»Wird es nicht Zeit, Raimon, dass du dir eine Frau suchst?«, fragte ich wie beiläufig, nachdem er mir einen Kelch gereicht hatte.
»Eine Frau?« Er machte ein verdutztes Gesicht, als wäre die Frage abwegig. Dann lachte er verlegen. »Dafür habe ich doch gar keine Zeit.«
»Willst du keine Kinder?«
»Mein Bruder hat schon einen Stall voll. Und meine Schwester auch. An Erben wird es in unserer Familie nicht mangeln.«
»Darin ähneln wir uns, du und ich«, sagte ich niedergeschlagen. »Keine Kinder.«
»Du bist jung, Ermengarda«, versuchte er, mich aufzumuntern. »Du hast noch viel Zeit.«
Er hatte taktvoll vermieden, von Arnaut und seiner möglichen Rückkehr zu sprechen.
Ich schüttelte den Kopf. »Die alte Hebamme … du erinnerst dich an sie? Sie hat gesagt, da sei zu viel in meinem Leib zerrissen.«
Wochenlang war ich wie zerstört gewesen. Keine Kinder mehr? Dann hatte ich gedacht, wie wollte die Alte das überhaupt wissen. Konnte sie mir in den Bauch sehen? Doch irgendwie fühlte ich, dass sie recht hatte. Ich würde keine Kinder mehr gebären können. Seltsam, dass ich mit einem Mann darüber sprechen konnte. Aber Raimon war wie ein Bruder. Man sagt das so leicht dahin, aber bei ihm empfand ich es wirklich so. Ihm konnte ich alles sagen.
»Das ist bitter«, erwiderte er und seufzte.
»Ach, ich habe mich damit abgefunden.«
Er warf mir einen zweifelnden Blick zu. »Aber Narbona braucht einen Erben.«
»Keine Sorge. Meine Schwester Nina hat geschworen, mir ihren Erstgeborenen zu schicken, wenn er sechzehn wird. Bis dahin sind es noch viele Jahre, aber wenn er kommt, wirst du ihm alles beibringen, was er braucht, um ein kluger Herrscher zu werden.«
»Ein Spanier?« In seiner Stimme lagen Zweifel.
»Er ist von meinem Blut, Raimon. Nina hat ihm den stolzen Namen meiner Vorfahren gegeben … Aimeric. Und sie redet nur in unserer
lenga romana
mit ihm. Du musst dir keine Sorgen machen. Er wird ein guter Narbonenser Fürst.«
»Und ich soll ihn ausbilden, meinst du?«
»Wer sonst?«
Er lachte. »Nun, ein wenig Übung im Vatersein bekomme ich ja schon jetzt, seit Felipe fort ist.«
Ja, Felipe, sein Schwager, hatte uns verlassen, um sich ebenfalls auf diesen vermaledeiten Pilgerzug zu begeben. Seit dem Tag unseres Streits hatte er mich gemieden und sich dann vor Monaten nach Antiochia eingeschifft. Auch er ein Dickkopf wie die anderen. Ach, wie ich diesen Papst hasse, seine verdammte, kriegshetzerische Bulle und all seine elenden Lakaien, von Erzbischöfen bis Kardinälen. Am meisten diesen Clairvaux, den alle anhimmeln.
»Und wie lebt deine Schwester damit?«
»Dass Felipe fort ist?« Er zuckte mit den Schultern. »Sie hat ihre Kinder, weißt du. Und die Familie. Sie sagt nicht viel.«
»Hält ihre Gefühle unter Verschluss. Wie du.«
Er lächelte etwas unsicher, sammelte die Dokumente ein und erhob sich. »Ich lass dich jetzt besser mit meinen Angelegenheiten in Frieden.«
An der Tür wandte er sich noch einmal um. »Bevor ich es vergesse, Ermengarda, was machen wir mit diesem Prediger?«
»Was ist dein Rat?«
»Er wiegelt das Volk mit seinen Lehren auf. Das heißt, die eine Hälfte der Stadt spuckt auf ihn, und die Übrigen vergöttern den Kerl, weil er gegen die Pfaffen wettert. Es könnte zu Unruhen kommen. Wir sollten ihm die Stadt verbieten.«
»Wie heißt er?«
»Henri de Lausanne.«
»Zieht der nicht schon seit Jahren durch die Lande?«
»So ist es. Und bekommt immer mehr Zulauf.«
»Ein Gutes hat es wenigstens. Diese Wanderprediger sorgen bei der hohen Geistlichkeit für Aufregung«, erwiderte ich schadenfroh, denn alles, was unseren guten Erzbischof ärgerte, machte mir kindisches Vergnügen. »Ich würde brennend gern hören, was so ein Mann zu sagen hat. Sollen wir ihn holen lassen?«
»Um Gottes willen. Du kannst doch keinen Ketzer in den Palast laden. Das käme ja einer Zustimmung gleich.«
»Leider hast du recht. Versuch aber, mehr über ihn herauszufinden.«
Raimon nickte und verließ den Raum. Ich nahm einen Schluck Wein und aß ein wenig von dem Honiggebäck, das Jamila mir hingestellt hatte.
Nein, ich war nicht aufrichtig mit Raimon gewesen, denn dass ich keine Kinder mehr haben sollte, damit hatte ich mich noch überhaupt nicht abgefunden. Ein
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