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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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die nicht ruht, bis sie alles verschlungen hat. Von der sich die Könige auf Erden verführen lassen, trunken vom Wein ihrer Hurerei. Wir alle wissen, wer gemeint ist. In Purpur und Scharlach ist sie gekleidet, mit Gold und edlen Steinen bedeckt, in ihrer Hand der Becher voll der Greuel auf Erden. Sie ist trunken vom Blut der Heiligen …«
    Weiter kam er nicht.
    Kriegsknechte des Erzbischofs hatten sich rüde durch die Menge gedrängt, packten ihn nun und schlugen auf ihn ein. Er stürzte auf die Knie, Blut rann ihm aus Mund und Nase. Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch die Menge, andere johlten Beifall. Mit blanken Schwertern in der Faust verschafften sich die Soldaten Platz. Dann zerrten sie die ausgemergelte Gestalt des Predigers mit sich fort und verschwanden im Palast des Erzbischofs.
    Ich war immer noch wie gebannt von seinen Worten. Einen Augenblick lang fürchtete ich, es würde zu Unruhen kommen, aber nach einigem Gerangel und Gebrüll löste sich die Menge auf, und ich konnte mich unbemerkt in den Palast zurückschleichen.
    Der ersten Wache, der ich begegnete, warf ich meinen Umhang zu und befahl ihm, mir Raimon zu schicken.
    »Der Erzbischof hat ihn gefangen gesetzt«, sagte ich zornig, als er erschien.
    »Das habe ich beobachtet. Wenigstens hat er einen Tumult verhindert.«
    »Verstehst du nicht? Er hat kein Recht dazu. Der Marktplatz ist meine Domäne, und überhaupt die Gerichtsbarkeit in solchen Dingen liegt bei mir, nicht bei der Kirche.«
    Er sah mich erstaunt an. »Ich weiß. Er missbraucht sein Amt. Aber was kümmert dich ein zerlumpter Prediger?«
    »Zerlumpt mag er sein, aber was er sagt, ist nicht dumm. Vielleicht in manchem übertrieben, trotzdem …«
    »Geht es dir um den Prediger oder um einen Streit mit dem Erzbischof?«
    »Ganz gleich. Geh sofort zu Leveson und verlange, dass man den Mann an mich übergibt. Und wenn nicht, dann wird er es bedauern, das kannst du ihm ausrichten.«
    Drei Stunden blieb er fort. Es musste ein zähes Ringen gewesen sein, aber es war ihm nicht gelungen, meinen Wunsch durchzusetzen. Dabei ist Raimon ein äußerst geschickter Unterhändler. Der Kerl habe die Kirche beleidigt, so Levesons Antwort. Peire de Bruis habe vor Jahren schon genug Aufruhr gestiftet, man wünsche keine Wiederholung. Überhaupt sei man nicht länger gewillt, solche Lästerungen der heiligen Kirche straflos hinzunehmen.
    »Aber er hat nicht das Recht dazu.«
    »In diesem Fall pfeift er auf deine Gerichtsbarkeit, Ermengarda. Vergiss nicht, er herrscht auch als Fürst über halb Narbona. Was willst du tun? Den Palast des Erzbischofs stürmen? Der Kerl gehöre ins Loch, sagt er, und zwar endgültig, um darin zu verfaulen. Leveson ist sogar ziemlich ausfällig geworden. Ich wage kaum, seine Worte zu wiederholen.«
    »Was hat er gesagt?«
    Raimon war sichtlich verlegen und wand sich, bis ich ihn drängte. »Wenn hier schon von babylonischen Huren geredet würde, so sagte er, dann könne er bei der nächsten Sonntagsmesse gern auch von einer anderen Hure berichten, einer hier in Narbona, die mit ihren Rittern Unzucht treibt.«
    Mir blieb die Luft weg. »Das wagt er nicht.«
    »Verlass dich nicht darauf. Er war ziemlich aufgebracht.«
    Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken. Eine unverschämte Drohung. Überhaupt war ich des ewigen Gerangels mit diesem Kirchenmann müde. Es war wirklich Zeit, ihn in die Schranken zu weisen.
    »Das werden wir so nicht hinnehmen«, sagte ich entschlossen. »Wir werden uns etwas ausdenken.«
    Aber bevor wir die Angelegenheit weiter besprechen konnten, sprang die Tür auf, und
Domna
Anhes kam hereingestürmt.
    »Ein Brief, Ermengarda«, rief sie aufgeregt und fuchtelte mit einer ledernen Briefhülle in der Luft herum. »Aus Konstantinopel!«
    Aus Konstantinopel. Ich fasste mir ans Herz. Das konnte nur eines bedeuten. Wer sollte mir sonst von dort schreiben? Ich musste bleich geworden sein, denn beide, Raimon und Anhes, waren sofort an meiner Seite.
    »Geht es dir gut, Kind?«, fragte Anhes besorgt.
    »Natürlich. Nun gib schon her.« Ich riss ihr den Brief aus der Hand. »Und lasst mich jetzt beide allein.«
    Hastig brach ich das Siegel auf und zog das gerollte Pergament aus der Hülle.
     
    Von Bruder Aimar
    an Ermengarda, Vescomtessa
    Oktober,
AD
1147
     
    Der Brief war also von Aimar, dachte ich zuerst etwas enttäuscht. Trotzdem, endlich ein Lebenszeichen. Oder gar schlechte Nachrichten? Mein Herz klopfte wild. Beklommen las ich weiter.
     
    Salve

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