Die Hure: Roman (German Edition)
glänzende, silbrige Hengste mit flammender Mähne.
»Wow …«, seufzt Milla.
»Rimbaud!«, ruft Artemis von der Tanzfläche über den Lärm der Pferde und der Musik hinweg.
»Was?«, schreit Milla.
»Rimbaud!«
»Hä?«
»Rimbaud!«
»Was zum Teufel ist Räämboh?«
Artemis winkt ihr lächelnd zu und schwingt sich auf eines der Pferde. Sie reitet durch die Wand des Nachtclubs und grast die Meeresufer ab, auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die es in dieser Nacht geben könnte.
Um vier Uhr früh bringen die Pferde Aphrodite und Milla zu Millas Wohnung. Die Presse ist nämlich nicht mehr bereit, Aphrodites Hotelrechnung zu übernehmen. Offizieller Grund sind die zu lauten allnächtlichen Partys, die in einigen Blättern auch als Orgien bezeichnet wurden.
Am nächsten Tag prangt auf den Titelseiten ein absolut schreckliches Foto von Aphrodite. Aus irgendeinem Grund wollen die Zeitungen keine attraktiven Aufnahmen mehr veröffentlichen, sondern fotografieren sie nur, wenn sie ungeschminkt einkaufen geht oder total blau ist oder ein schlecht sitzendes Kleid trägt oder zufällig eine blöde Miene aufsetzt.
»Scheiße, wie schaffen die das?«, schnaubt Aphrodite.
»Bestimmt bearbeiten sie die Fotos«, meint Milla.
»Ach, ist ja ganz egal!«
»Genau! Dich beten sowieso alle an!«
Eines Tages hat Milla eine Idee. Sie klingelt bei Kalla.
MILLA: Hast du dir schon mal überlegt, dass wir eigentlich nicht mehr in dieser Bruchbude wohnen müssen?
KALLA: Was?
MILLA: Wir haben irre viel Geld und wohnen trotzdem in diesem Misthaus. Jeden Tag steht der Hausmeister mit seiner beschissenen Fratze bei den Mülltonnen und sagt jedes Mal irgendetwas Schmieriges, und im Lift stinkt er nach Schnaps, ständig zwängt er sich mit hinein, obwohl er im ersten Stock wohnt. Und irgendwann kommt er garantiert mit dem Generalschlüssel in die Wohnung, da kannst du Gift darauf nehmen.
KALLA: So einfach ist das nicht.
MILLA: Doch. Janssoni ist ein aufdringliches Arschloch.
KALLA: Janssoni?
MILLA: Der Hausmeister.
KALLA: Woher weißt du, wie er heißt?
MILLA : Das hab ich ausspioniert.
KALLA: Warum?
MILLA (kichernd): Na, weil … Na, weil ich ihm sozusagen mal etwas durch den Briefschlitz geworfen hab. Oder eigentlich nicht ich, sondern Aphrodite.
KALLA: Und?
MILLA (lachend): Na, die hat es auch geärgert, dass er immer so glubscht, und da haben wir …
KALLA: Was?
MILLA (gackernd): Da haben wir ihm gebrauchte Tampons durch den Briefschlitz geworfen.
KALLA: An denen lutscht er bestimmt gerade.
MILLA: Iih! Lass uns umziehen, okay?
KALLA: Aber ich will bald wieder in meinen alten Job zurück.
MILLA : Spinnst du?
KALLA: Das hier ist nicht richtig. Manchmal schäme ich mich so, dass ich mich nicht einmal in den Laden traue.
Die Scham ist nicht unbegründet. Über die Prostituierten – denn man nennt sie inzwischen wieder Prostituierte und nicht Sexarbeiterinnen – wird neuerdings allerhand Propaganda verbreitet. Man sagt, dass man sich bei ihnen eine Krankheit hole. Man sagt, sie seien dumm, ordinär und ausländisch. Man sagt, ihre Vagina stinke. Und obendrein halten die Leute es für angebracht, die Wohnhäuser von Frauen, die sie als Prostituierte verdächtigen, mit gewissen Symbolen zu markieren.
KALLA: Es ist total peinlich!
MILLA: Dabei ist es eine Arbeit wie jede andere auch.
KALLA: Über Putzfrauen und Krankenschwestern zieht in den Zeitungen und im Fernsehen aber keiner her.
MILLA: Nee, für die interessiert sich kein Schwein, weil die nicht das große Geld verdienen.
Kalla beginnt zu weinen. Milla legt ihr die Hände um das schöne Gesicht und blickt ihr in die Augen.
Jetzt folgt heißer lesbischer Sex!
Nein, wohl eher nicht.
Milla erklärt Kalla, dass ihre Arbeit völlig in Ordnung sei. Die Leute sind nur neidisch, weil es ihnen nicht so gut geht. Aber sie beide sollten aus diesem miserablen Haus ausziehen. Sie könnten ja eine gemeinsame Wohnung nehmen! Und Aphrodite könnte mitkommen! Das wäre Spitze! Wie in einer Fernsehserie!
Kalla sieht Milla traurig an. Sie muss jetzt zu ihrer eigentlichen Arbeit.
Wenigstens braucht Kalla den Mann nicht mehr von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz und von dort wieder nach Hause zu bringen. Das erledigt das kleine Tier. Es hat ja die Augen, die früher dem Mann gehört haben, daher kennt es den Weg. Manchmal merkt es, dass es ihm ein bisschen peinlich ist, die schöne Kalla anzusehen. Dann stupst es sie meistens ans Bein.
Kalla vermutet, dass der Mann
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