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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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Ersatz für Eier. Also für Hühnereier. Daher braten sie Pfannkuchen.
    6 dl Sojamilch
    4 dl Weizenmehl
    2 EL Kartoffelmehl
    1 TL Salz
    Zutaten mischen und in Rapsöl braten.
    Pfannkuchen sind Pfannkuchen, und Drogen sind Drogen, aber immerhin.

    Kalla sitzt auf einer Bank in einem winzigen Park, konzentriert sich aber nicht auf den Unterricht. Sie starrt auf einen Regenwurm, der von einem Fahrrad überfahren wurde. Trotzdem versucht er voranzukommen. Aber das klappt natürlich nicht, denn ein Teil seines Körpers wurde auf dem Pflasterstein zerquetscht. Er sammelt seine Kräfte, zieht sich lang, rollt zurück. Dann unternimmt er den nächsten Versuch. Tut das nicht weh?, überlegt Kalla. Sind Würmer nicht wahnsinnig empfindlich?
    Artemis versetzt ihr einen Klaps, aber nur einen leichten, sie ist nicht so unmütterlich, wie man aufgrund ihres Äußeren schließen könnte. »Was ist los mit dir?«, fragt sie.
    Kalla schüttelt den Kopf. Artemis wirft ihre schwarze Mütze auf die Erde, ein paar Zentimeter neben den Wurm, und lässt ihre grau gesprenkelten Haare im Herbstwind flattern. Kalla blickt nicht auf, sie starrt weiterhin auf den Regenwurm.
    »Meine Arbeit ist irgendwie erniedrigend.«
    »Mit dieser Einstellung ist jede Arbeit erniedrigend.«
    Artemis zieht Kalla hoch und zeigt ihr, wie man einen Stift als Schwert verwenden kann. »Lass uns mal üben.«
    Sie hat im Park einen Mann gebastelt, der wie eine Vogelscheuche aussieht.
    »Bring ihn um!«, kommandiert sie.
    Kalla schlägt nach dem Mann.
    »So kriegt er nicht mal eine Fleischwunde.«
    Artemis führt ihr vor, wie sie mit dem Stift zuschlagen muss. Der Kopf der Vogelscheuche fliegt auf die Straßenbahnschienen, und die Brust zerspringt.
    »Wenn jemand versucht, etwas mit dir zu tun, das dir nicht gefällt, dann musst du so reagieren.«
    »Ja.«
    »Zeig’s mir!«
    Kalla tritt der kopflosen Vogelscheuche zwischen die Beine.
    »Ich sehe keinen echten Hass bei dir. Woher kommt das?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Könnte es sein, dass du dich nicht für verteidigenswert hältst? Dann hast du ein Problem.«
    »Was bildest du dir ein?«
    Artemis hebt grazil ihre Mütze auf und zeigt mit dem Finger auf Kalla. Sie befiehlt ihr darüber nachzudenken, denn sie weiß, dass sie recht hat. Dann springt sie auf ihre gelbmähnige Stute und reitet davon. Hufe schlagen auf das Straßenpflaster.
    Kalla bleibt noch eine Weile sitzen. Sie würde den Wurm gern in Sicherheit bringen, ekelt sich aber davor, ihn anzufassen. Schließlich nimmt sie ihren Bibliotheksausweis, hebt das Tier damit auf und setzt es unter einen Busch. »Vielleicht wird noch mal ein Wurm aus dir«, sagt sie.
    Kalla geht ans Ufer. Sie hat schon seit einiger Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. Allerdings bildet sie sich neuerdings andauernd ein, die Leute würden sie anstarren, obwohl das gar nicht stimmt. Und selbst wenn jemand sie anstarrt, ist es nicht unbedingt böse gemeint. Manche bewundern Huren sogar: Schließlich haben sie Kontakt mit entscheidenden Organen. Pfui …
    Milla trifft viele einflussreiche Geschäftsleute und Politiker und weist sie unmissverständlich auf diverse gesellschaftliche Reformen hin, die ihr gefallen würden. Das ist Millas Auffassung von politischem Aktivismus. Aber Kalla glaubt nicht an Einflussnahme. Ihr sind gewöhnliche Männer als Freier recht. Oder, na ja, nicht die ganz Gewöhnlichen: Ganz gewöhnliche Männer können sich ihre Gesellschaft nicht leisten. Und das ist auch in Ordnung. Schließlich kann sich auch nicht jeder eine Gucci-Handtasche oder einen Porsche leisten. Diese Ungleichheit bewahrt die Welt vor der endgültigen Vernichtung.
    Das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, ist irritierend. Als ob etwas zwischen Zahn und Zahnfleisch steckt, das man nicht herausbekommt. Unvermittelt bleibt Kalla stehen und dreht sich um. In einigen Metern Entfernung sieht sie den Mann, den sie so gut kennt. Daher kommt also dieses ständige unangenehme Gefühl: Der Mann verfolgt sie. Wut und Verwirrung schlagen über ihr zusammen.
    Kalla sieht den Mann kühl an, doch er deutet ihren Blick als Einladung. Er kommt auf sie zu, mit der ewig gleichen Miene, bei der man nicht weiß, ob er lächelt oder ob er sein Gesicht irgendwann so verzogen hat, dass er nicht mehr normal dreinschauen kann. Der verdammte Scheißkerl.
    Kalla möchte den Mann vieles fragen, vor allem, weshalb er ihr quer durch die Stadt folgt und ob das schon lange so geht. Doch sie bringt die Worte nicht heraus.

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