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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Marienkäferhäuser gebaut und in den Bächen gebadet. Bis das alles mit einem Schlag zu Ende gewesen war.
    »Angelina, träumst du?«, flüsterte ihr Bianca zu, die neben ihr stand.
    »Entschuldige«, sagte Angelina hastig und stimmte mit lauter Stimme in den Hymnus ein.
     
    »Versuche dich zu erinnern«, forderte Mutter Elisa Angelina auf, als sie sich das nächste Mal zu einem Gespräch trafen. »Was ist auf eurem Landgut geschehen? Gab es einen Mann, eine Frau, ein Kind, die zu der Zeit dort aufgetaucht sein könnten?«
    »Es gab einen Jungen«, sagte Angelina zögernd. »Giovanni Brenetto hieß er, glaube ich. Er war aber älter als ich.«
    »Was war mit Giovanni? Hat er dich gerngehabt?«
    »Ich glaube schon. Er tauchte oft im Wald auf, wenn ich mit Freundinnen oder meinen kleinen Geschwistern badete, und zeigte uns seltsame Dinge wie das Gewölle einer Eule, die Bauten von Fuchs und Dachs und Libellen …«, sie schlug die Augen nieder, »… beim Paarungstanz.«
    »Wer war er? Woher kam er?«
    |254| »Ein Bauernjunge«, sie überlegte, »aus der Nachbarschaft, glaube ich. Meinen Eltern war es nicht recht, dass ich mich so viel mit ihm abgab. Sie fürchteten wohl, er könne mir einen Heiratsantrag machen oder meine Sitten verderben.«
    »Sie lehnten ihn ab, weil sein Vater kein Geld hatte, nicht wahr?«
    »Ich glaube schon«, sagte Angelina. »Aber ich habe ihn aus den Augen verloren. Was damals auch geschehen sein mag – es ist mir vollkommen aus dem Gedächtnis entschwunden!«
    »Hab Geduld, Angelina. Führe dein Leben bei uns fort, bete und arbeite, denke nach und lasse alles auf dich wirken. Du wirst zur Ruhe kommen.«
    »Ich will aber nicht mehr zur Ruhe kommen, Mutter Elisa! Ich will wissen, was die Ursache all dieser schrecklichen Dinge ist!«
    Von dem Feuer und dem Toten, die ihr bei der Beichte im Dom vor Augen getreten waren, sagte sie nichts. Die Erinnerung war so furchtbar, dass Angelina sie in den hintersten Winkel ihres Kopfes verschob.
    »Gott wird dich auf deinem Weg dorthin begleiten. Und nun geh an deine Arbeit.«
    In der nächsten Zeit träumte Angelina überhaupt nicht mehr, oder sie vergaß, was sie geträumt hatte. Sie kam einfach nicht weiter mit ihren Nachforschungen über die Vergangenheit. Das machte sie ungeduldig und gereizt. Immerhin aß sie regelmäßig und schlief wieder besser. Eines Mittags Ende November wurde Angelina von Suor Dorothea wieder ein Gast gemeldet. Dieses Eindringen der Außenwelt beunruhigte sie. Wer konnte das sein? War Francesco vielleicht von seiner Reise nach Rom zurückgekehrt? Sie wünschte es inständig und fürchtete es zugleich. Konnte das nicht tödlich für ihn enden?
    Angelina begab sich etwas beklommen ins Besucherzimmer. Sie musste sich am Türrahmen festhalten, denn sie sah – ihre Mutter! Signora Girondo sah noch genauso aus, wie Angelina sie in Erinnerung hatte: mit ihren Pausbäckchen, der fülligen Figur und den schwarzen Locken. Eine Wolke von Parfüm wehte Angelina entgegen. |255| Lukrezia Girondos Gesicht jedoch war nicht so fröhlich wie sonst, sondern von Gramesfurchen durchzogen. Ihre Augen glänzten feucht.
    »Angelina, meine Tochter!«, rief sie, erhob sich von ihrem Stuhl und näherte sich Angelina mit ausgebreiteten Armen. Angelina war vollkommen überrascht und ließ es geschehen, dass ihre Mutter sie umarmte, ihr die Haare streichelte und ihr Gesicht mit Tränen benetzte, während sie ihr einen Kuss nach dem anderen auf die Wangen drückte.
    Angelina versuchte die Zärtlichkeiten zu erwidern, war aber zu verletzt, um wirkliche Zuneigung zu empfinden. Als beide zu Atem gekommen waren, sagte Angelina:
    »Was führt Euch zu mir, Frau Mutter?«
    Die Antwort war ein neuerlicher Tränenausbruch. Angelina reichte ihrer Mutter ein Tuch. Schließlich hatte sich Signora Girondo halbwegs beruhigt.
    »Du musst mich verstehen, Angelina«, begann sie. »Wir haben dich nicht verstoßen, wie du wohl geglaubt hast. Dein Vater und ich wollten immer nur, dass du glücklich wirst. An der Seite dieses Malers wärest du es niemals geworden. Und ich sehe ja, dass du allein bist. Tomasio ist der rechte Ehemann für dich, und er würde auch heute noch zu seinem Wort stehen.« Sie schnäuzte sich in das Tuch, bevor sie fortfuhr:
    »Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen, damit du endlich zur Ruhe gelangst. Deine Geschwister sprechen immer wieder von dir und fragen nach deiner Rückkehr. Dein Vater ist schon ganz grau geworden!«
    »Ich glaube Euch

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