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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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auf. Angelina fischte die letzten weißen Fleischstücke heraus, stellte die Schüssel beiseite und dachte nach. Sie glaubte nicht daran, dass sie wirklich krank war. Es war einfach alles zu viel gewesen in den letzten Monaten. Und sie war ins Kloster gekommen, um sich zu erholen, um Kräfte zu sammeln für die Aufgaben, die noch auf sie warteten. Wo war Mutter Elisa? Jetzt fiel es ihr ein: Sie war nach Assisi gereist, um irgendeine Mission zu erfüllen. Das war länger her, hoffentlich war sie inzwischen zurückgekehrt! Angelina fiel noch einmal in einen kurzen Schlaf. Als sie die Augen öffnete, stand Mutter Elisa neben ihrem Bett.
    »Es betrübt mich, zu sehen, dass du so leidest«, sagte Elisa. Ihr rosiges Gesicht, das kaum Runzeln aufwies, strahlte Angelina an.
    »Wenn ich Euch sehe, ehrwürdige Mutter Elisa, fühle ich mich fast wieder gesund«, erwiderte Angelina.
    »Die ›ehrwürdige‹ lassen wir doch lieber weg«, meinte Mutter Elisa. »Ich bin eine unter vielen. Was bewegt dich so sehr, Angelina, was schleppst du mit dir herum, dass es dich fast erdrückt?«
    »Ihr wisst, was mich umtreibt«, antwortete Angelina. »Mir hat das Gespräch mit Euch gefehlt.«
    »Unsere Gespräche können wir wieder aufnehmen«, meinte Mutter Elisa. »Doch heute sollst du dich noch schonen. Ich gebe dir etwas mit auf den Weg, worüber du bis dahin nachdenken kannst. Gott hat uns nicht erschaffen, damit wir einfach und bequem unseren Weg gehen, sondern wir haben Prüfungen zu bestehen, Berge zu erklimmen, tiefe Täler zu durchwandern. Sieben Tode müssen wir durchleiden, bevor wir zu ihm kommen, durch uns selbst.«
    »Warum sieben Tode?«, fragte Angelina. Die Worte Elisas versetzten sie in starke innere Erregung.
    »Die Sieben ist eine magische Zahl, deshalb habe ich diese Ziffer |252| verwendet. Es kann auch einer sein oder hundert. Und jetzt ruhe dich noch ein wenig aus.«
    Am nächsten Tag war Angelina so weit bei Kräften, dass sie an den Gottesdiensten teilnehmen konnte. Einige Tage später nahm sie die Arbeit im Stall wieder auf. Nach dem Abendessen und der Komplet bat Mutter Elisa sie auf ihr Zimmer.
    »Gibt es noch etwas, das du auf dem Herzen hast, Angelina?«
    »Vielleicht könnt Ihr mir helfen herauszufinden, warum ich mich so schrecklich schuldig fühle«, murmelte Angelina.
    »Wie lange fühlst du dich denn schon so?«
    »Seit ich lebe. Oder wartet, seit ich ein Kind von etwa neun Jahren war, glaube ich.«
    »Was ist damals geschehen?«
    »Ich erinnere mich nicht«, sagte Angelina. »Von einem Tag auf den anderen änderte sich alles. Vorher war mein Leben sorglos gewesen, ich habe mit Freunden und mit meinen kleinen Geschwistern gespielt. Nein, das kann nicht sein, Rodolfo war noch gar nicht geboren … oder doch?« Sie runzelte kurz die Stirn und fuhr fort: »Im Sommer waren wir auf unserem Landgut, Feste wurden gefeiert. Aber von einem bestimmten Tag an war meine Freude dahin. Schon wenn ich morgens erwachte, spürte ich dieses drückende Gefühl, ich hatte immer Angst, dass etwas Schreckliches geschehen würde.«
    »Und das hat sich nun, etliche Jahre später, erfüllt«, murmelte Mutter Elisa. Sie schien ganz in sich versunken. »Du bist 1480 geboren, nicht wahr? 1489 war Girolamo Savonarola schon im Kloster San Marco. Die Medici wurden fünf Jahre später vertrieben. Glaubst du, dass es etwas mit Savonarola zu tun haben könnte?«
    »Vielleicht, ich weiß es nicht. Ich erinnere mich an eine Höhle, in der wir als Kinder spielten.«
    »Eine Höhle?«
    »Oder ein Stollen in einem Weinberg.«
    »Ist dort etwas geschehen? Wurde vielleicht jemand verschüttet?«
    |253| »Ich weiß es nicht.«
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Warum fiel ihr einfach nicht ein, was passiert war? Von Unruhe erfüllt, zog sie sich zurück.
    Während der Gebete und Psalmen, die in der Kirche gesungen wurden, kamen Angelina nun immer häufiger Bilder aus ihrer Kindheit in den Sinn. Sie sah sich als kleines Mädchen mit Geschwistern und Freunden spielen, am Tisch sitzen und die guten Gerichte verspeisen, die auf den Tisch gebracht wurden. Die Besuche bei Lorenzo de’ Medici standen ihr vor den Augen, sein markantes, dunkles Gesicht, das gescheitelte schwarze Haar und seine sonderbaren Spinnenfinger. Und die sommerlichen Besuche auf dem Landgut hier ganz in der Nähe in Fiesole. Was war das für eine schöne Zeit gewesen! Den ganzen Tag war sie draußen gewesen, hatte sich in den Weinbergen und in den Wäldern getummelt,

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