Die Hure Und Der Moench
die These: Die besten Künstler der Zeit seien Florenz zuzuordnen, denn hatten nicht auch Michelangelo und Leonardo da Vinci dort gelebt? Es kam zum Streit, die Leute waren angetrunken. Francesco wollte lieber gehen.
»Bleib!«, rief ihm Sebastiano zu, »sind wir nicht Freunde geworden?«
|249| Nach dem hitzigen Wortgefecht kam die Rede auf den Papst und seine Tochter Lukrezia, mit der er widernatürliche Beziehungen unterhalten sollte. Francesco konnte es nicht mehr hören. Fast sehnte er sich nach dem finsteren Savonarola zurück. Aber eines hatte er gelernt auf dieser Reise: dass Kunst nicht allein auf das Religiöse beschränkt bleiben darf. In der Nacht träumte er, es poltere jemand gegen seine Tür und verlange ihn zu sehen. Es war ein städtischer Büttel, der ihn aus seinem Bett riss und ihn anbrüllte, er sei als Anhänger Savonarolas überführt. Wie er darauf komme, wollte Francesco wissen. Jemand habe ihn denunziert, sagte der Mann. Man habe seine Bilder eindeutig als die aus Botticellis Werkstatt erkannt, ein Käufer habe sein Exemplar dem Papst vorgelegt. Und jetzt werde er, Francesco, in der Engelsburg festgesetzt, als Pfand gegenüber dem fanatischen Mönch in Florenz. Dort werde er nicht mehr lebend herauskommen. Francesco erwachte schweißgebadet. Was das wieder zu bedeuten hatte? Er machte sich viel zu viele Gedanken. Eilig stand er auf, kleidete sich an, packte seine Sachen und verabschiedete sich kühl von Sebastiano.
»Gehst du zurück zu deiner Angebeteten?«, versuchte Sebastiano ihn zu necken.
»Ich gehe zurück«, meinte Francesco, schulterte sein Bündel und ging hinaus, um sein Pferd zu holen, das er im Stall einer Gastwirtschaft zurückgelassen hatte. Er verließ die Stadt Rom, ohne sich noch einmal umzuschauen. Jede Meile, die er auf seinem Pferd zurücklegte, brachte ihn Angelina näher. Er nahm denselben Weg, den er mit Sebastiano gekommen war. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein. Während er durch die schon winterliche Landschaft trabte, Regen, Schneeflocken und Wind ihm ins Gesicht peitschten und sein Wollmantel immer feuchter wurde, konnte er, je näher er seinem Ziel kam, immer weniger seinen Gedanken ausweichen. Er hatte Schuld auf sich geladen, hatte gesündigt, vor Gott und den Menschen. Er war der Geliebte einer verheirateten Frau gewesen, und nicht irgendeiner Frau. Das Wissen |250| um diese Begebenheit, die schon länger zurücklag, belastete sein Gewissen schwer. Angelina durfte ihren Namen niemals erfahren.
Angelina tauchte aus tiefem Schlaf empor. Wo war sie? In einem Grab?
Aber nein, sie lag auf einem Bett, in mehrere Decken gehüllt. Hinter dem schmalen Fenster heulte und pfiff der Sturm. Die Fackel, die in einer Vertiefung der Wand steckte, blakte und rußte. Kein Mensch war zu sehen.
Angelina wollte aufstehen, doch etwas hielt sie mit Gewalt in ihrem Bett. Sie versuchte sich zu bewegen, bemerkte zu ihrem Entsetzen, dass ihre Arme und Beine kraftlos auf der Strohmatratze lagen. Ewigkeiten vergingen. Angelina vernahm leise Schritte, ein Luftzug wehte herein. Eine Schwester in schwarzer Ordenstracht beugte sich über sie, das besorgte Gesicht war ganz nahe.
»Was ist nur mit dir, Angelina?«, fragte Schwester Bianca.
Angelina bewegte die Lippen, brachte aber keinen Laut heraus.
»Du bist krank, Angelina«, beschied Bianca. »Du musst dich unbedingt erholen. Ich werde die Köchin anweisen, gebratenes Fleisch und sonstige nahrhafte Kost für dich zu bereiten. Schlaf jetzt noch ein wenig, ich werde gleich etwas holen.«
Mit einem Seufzer schloss Angelina die Augen. Als sie wieder erwachte, erschien Schwester Bianca und brachte eine Schüssel mit Hühnersuppe.
»Die wird dich wieder zu Kräften bringen«, sagte sie, stellte die Schüssel auf den Boden und half Angelina, sich aufzurichten. Angelinas Kopf brummte, ihr war schwindelig.
»Was ist geschehen, Suor Bianca?«, fragte sie die junge Frau, die stets still und ergeben ihre Dienste verrichtet hatte.
»Du bist bei der Vesper umgefallen«, sagte Bianca, »und wir haben dich auf das Krankenzimmer gebracht.«
»Wann war das?«, wollte Angelina wissen.
»Vor zwei Tagen«, gab Bianca zur Antwort. Sie setzte sich mit der |251| Suppenschüssel neben sie und begann sie mit einem Holzlöffel zu füttern.
»Ich kann selber essen«, meinte Angelina heiser. Die Suppe tat ihr gut, sie erwärmte sie von innen.
»Gut, dann werde ich jetzt gehen, wenn du etwas brauchst, dann rufe mich«, sagte Bianca und stand
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