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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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behalten«, setzte Francesco dagegen. »Ihr alle sollt euren Glauben behalten, aber drückt eure Überzeugung doch um Gottes willen nicht denen auf, die sich ein anderes Bild von der Welt gemacht haben!«
    Botticelli machte eine Bewegung, als wolle er den Raum verlassen, doch er blieb stehen und sagte, zu Francesco gewandt:
    »Du hast es doch immer so mit der Kunst. Leonardo sagte einmal über meine Bilder, ich hätte den Landschaften nicht genügend Bedeutung verliehen, es sei, als hätte ich einen bunten Schwamm auf die Leinwand geworfen. Damit drängt er mir doch auch seine Überzeugung auf!«
    »Das kannst du nicht vergleichen, Sandro«, gab Francesco zurück. »Die Religion ist eine sehr empfindsame Sache, sie greift in das Innerste eines Menschen ein. Wenn nun ein Maler einen anderen eines Besseren belehren will, so steht das auf einem anderen Blatt.«
    »Francesco, wenn du meine Ansichten nicht mehr teilen kannst, so bist du nicht mehr mein Freund. Wir können nicht mehr gemeinsam |281| in meiner Werkstatt, unter einem Dach, zusammenarbeiten.«
    Francesco hatte einen schalen Geschmack im Mund. Nun war es also doch so weit gekommen, obwohl er sich solche Mühe gegeben hatte, immer und immer wieder. Er war mit einem Mal sehr müde.
    »Gib mir meinen Lohn, Sandro, ich ziehe noch heute aus«, sagte er.
     
    Als Francesco wenig später, sein Bündel über der Schulter, in die beginnende Nacht hinaustrat, überkam ihn ein Gefühl der Verlassenheit. Alles musste er hinter sich lassen, seine Malerfreunde, die sich einer Sache verschrieben hatten, die er nicht mehr mittragen konnte, seine Arbeit, den Stadtteil, in dem er groß geworden war. Wenn seine Eltern noch lebten, hätte er gewiss zu ihnen gehen können, um wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. Wind und Regen peitschten ihm ins Gesicht. Seine Finger waren bald klamm. Er lief ziellos durch die Stadt. Niemand kannte ihn, niemand grüßte ihn. Man konnte ihn für einen der Bettler oder Hausierer halten, mit denen die Stadt so reich bevölkert war.
    Ein Brief von Sonia und Lucas aus Siena fiel ihm ein. Sie hatten geschrieben, dass die befreundete Familie Boni ihr Gasthaus
Al Carpa
habe schließen müssen, dass sie aber noch in dem alten Turm daneben wohnte. Dort hatte Angelina eine Zeitlang zugebracht. Oh, wenn dieses verfluchte Jahr doch endlich zu Ende ginge! Und wenn doch Angelina sich entschließen würde, nach Florenz und damit zu ihm zurückzukehren! Francesco atmete tief durch und wandte sich zu der Straße, die in Richtung der Gastwirtschaft
Al Carpa
führte.

|282| 35.
    Angelina konnte es kaum erwarten, dass
Natale
, das Weihnachtsfest, und das Ende des Jahres näher kamen. In diesem Jahr würde sie das erste Mal vor anderen auftreten. Seit Anfang Dezember hatte sie zusammen mit Mutter Elisa, Suor Dorothea und anderen Nonnen ein Paradiesspiel einstudiert, das am heiligen Abend aufgeführt werden sollte. In den Tagen davor wurde im Kloster gefastet. Nichtsdestoweniger buken die Nonnen
Panettone
, einen Kuchen mit Rosinen und kandierten Früchten, der am ersten Weihnachtsfeiertag serviert werden würde. Eine Wurzelholzkrippe wurde in der Kirche aufgebaut. Vor dem Kirchenportal stand eine Stechpalme, mit roten Äpfeln behangen.Überall herrschte geschäftiges Treiben. Angelina kam kaum mehr zum Nachdenken und war dankbar dafür.
    Nach der Vesper am heiligen Abend kam der große Augenblick: Das Paradiesspiel begann. Zahlreiche Menschen aus den umliegenden Dörfern waren gekommen, um sich die Spiele anzusehen und anschließend der Christmette beizuwohnen. Im Refektorium war aus Brettern eine Bühne errichtet, die Zuschauer saßen auf den Bänken, die normalerweise beim Essen benutzt wurden. Angelina hatte die Rolle der Eva übernommen, Bianca die des Adam. Mutter Elisa hatte sich dazu herbeigelassen, die Schlange zu spielen. Sie trat auf die Bühne und klatschte in die Hände. Augenblicklich wurde es still unter den Zuschauern.
    Mutter Elisa leitete das Spiel mit den Worten ein: »Werte Anwesende, wie jedes Jahr führen wir heute das Spiel vom Garten Eden auf, von Adam und Eva, der Schlange und dem ersten Sündenfall. Ihr werdet Eure Erbauung und Erleuchtung mit nach Hause nehmen.«
    |283| In der ersten Szene wandelten Angelina und Bianca im Garten Eden herum, der aus Moosen, Farnen, Oliven- und Buchsbäumen zusammengestellt war. Prächtige Blumen aus Stoff prangten in den Bäumen. Ein Bottich mit Wasser sollte das Wasser des Lebens darstellen. Angelina

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