Die Hure Und Der Moench
Dom bringen!«
»Du verlangst von mir, dass ich ein Kunstwerk, das ich während vieler Wochen geschaffen habe, einfach den Flammen übergebe? Wie weit ist es mit dir gekommen, Sandro Botticelli? Bist du nicht einmal angetreten, um dein Talent zur Entfaltung zu bringen, um der Welt unsterbliche Werke zu hinterlassen?«
»Ich malte einmal für die Medici«, gab Botticelli kleinlaut zu. »Aber ihre Herrschaft endete, weil sie sündig waren, weil sie für sich selbst lebten und nicht für das Volk.«
»Lebt denn Savonarola für das Volk? Wo hast du das gesehen? Verdammt er nicht alles, was es Schönes und Liebenswürdiges auf der Welt gibt? Hat er ihnen Brot gegeben? Hat er ihnen etwas anderes gegeben als düstere Prophezeiungen? Nein, Sandro, es ist etwas anderes, das dieses Volk will und braucht!«
»Was kann ein Volk anderes wollen, als im Gleichklang mit Gott zu leben?«
|274| »Was ist denn das für ein Leben, das uns Savonarola beschert hat?«, ereiferte sich Francesco. »Als ich von Rom nach Florenz zurückkehrte, glaubte ich, eine Totenstadt zu sehen. Alles grau in grau, schwarz in schwarz. Wären da nicht ein paar Farbtupfer gewesen … Sandro! Hat uns Gott nicht den Regenbogen gegeben mit seinem Spektrum von Farben? Treten diese Farben nicht überall in der Natur auf? Die Natur ist unser Vorbild, die großen Ideen und Formen der Antike müssen unser Ansporn sein! Du bist mit deinen religiösen Motiven zur Formen- und Farbensprache der alten, finsteren Zeiten zurückgekehrt. Sind nicht selbst Fra Angelicos Bilder farbenprächtiger als deine ›Kreuzigung‹?«
Botticelli verzog das Gesicht.
»Das ist nicht wahr«, sagte er. »Fra Angelico hat Maria Magdalena mit einem zartorangenfarbenen Gewand gemalt. Meine Maria Magdalena liegt in einem blutroten Kleid zu Füßen des Erlösers.«
»Es ist die einzige Farbe, die bei deiner ›Kreuzigung‹ hervorsticht. Und gewiss soll das Rot die Sünde symbolisieren.«
»Ja, das soll es«, meinte Botticelli. Er reckte sein Kinn empor. »Und deshalb befehle ich dir, dein ›sündiges Gewand‹ im Dom abzuliefern!«
»Wie kommst du auf das ›sündige Gewand‹? Hast du es gesehen?«
Botticelli ließ die Arme hängen.
»Ja, ich habe in deinem Zimmer nachgeschaut. Und es ist mir vor Schreck aus den Händen gefallen.«
»So hast du es also entdeckt«, seufzte Francesco. »Wie du meinst, Sandro. Ich werde es heute noch zum Dom bringen. Aber eins wollte ich dir noch sagen beziehungsweise dich fragen.«
»Ja?« Botticelli hob seine Augenbrauen.
»Wenn du früher für die Medici gearbeitet hast und jetzt nur noch für Savonarola malst, dann muss ich dir unterstellen, dass du dein Fähnchen nach dem Winde drehst.«
»Nimm das zurück!«, rief Botticelli. »Ich diene Savonarola und habe mich von den Medici losgesagt. Das hat mit Wetterwendigkeit nichts zu schaffen!«
|275| »Denk über meine Worte nach, Sandro. Und noch etwas: Warum haben die
Fanciulli
das Bild nicht entdeckt?«
»Sie durften es auf keinen Fall in meinem Haus finden. Deshalb habe ich eine Leinwand mit einem frommen Motiv darübergespannt«, gab Botticelli zu.
»Wenn du es schon versteckt hast, wieso willst du, dass ich es jetzt doch im Dom abliefere?«
»Es lässt mir keine Ruhe, Francesco.«
Francesco seufzte und wandte sich zur Treppe, die er, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauflief. In seinem Zimmer atmete er tief durch. Was für eine verbohrte Gesellschaft das war, in der er lebte! Sollte er das Gemälde wirklich den
Fanciulli
überlassen, damit die es im Februar, mit frommen Liedern auf den Lippen, den Flammen übergeben konnten? Hatte Botticelli das Recht, so etwas von ihm zu verlangen? Wenn das Bild brennen sollte, war auch seine Arbeit umsonst gewesen, ja, seine Liebe zu Angelina würde damit zerstört werden. Francesco sann auf einen Ausweg. Wo könnte er das Bild verstecken? Diesmal musste er es ja vor Botticelli, seinem einstigen Freund und Meister, verbergen. Sollte er das Porträt zu Angelinas Mutter bringen, damit die es mit ihren Wertsachen verschwinden ließ? Aber auch dort war es nicht sicher. Signora Girondo würde ihm Fragen stellen wegen des Gewandes und wegen seines Verhältnisses zu Angelina. Sollte er das Bild in ein Kloster bringen? Aber die Klöster von Florenz wurden immer noch von Savonarola beherrscht. Wenn er es zu Angelina nach Fiesole bringen ließ? Aber damit würde er sie nur in Verlegenheit bringen, wenn nicht in Gefahr.
Francesco löste die Leinwand mit dem
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