Die Hure Und Der Moench
stellen, aber sie verstecken sich. Adam weist Eva die Schuld an dem Sündenfall zu, Eva klagt die Schlange an. Aber Gott sagt, jeder habe sich selbst entschieden.«
Die Schlange trat ab, und die Engel flohen von der Bühne. Gleich darauf erschienen schwarze Teufel, die brennende Fackeln schwenkten, einen wilden Tanz aufführten und dabei tierische Laute ausstießen. Sie warfen die Bäume um, gossen den Kübel mit dem Wasser des Lebens aus und warfen kleine Kugeln auf die Bühne, die knallend explodierten. Alles war mit Rauch erfüllt. Schließlich erschien die Schlange, schwang ein Schwert und verkündete:
»Adam und Eva, ihr habt euch entschieden! Ihr könnt nimmer mehr im Paradies bleiben. Von heute an werdet ihr zu den Menschen gehören, werdet leiden und sterben. Ihr seid in Sünde gefallen.«
Angelina war es, als spielte sie sich selbst. Hatte man nicht auch sie aus dem Paradies vertrieben? Die Teufel bewaffneten sich mit Mistgabeln und scheuchten Adam und Eva aus dem Paradies. Die Engel versuchten die Teufel zu vertreiben, aber die Teufel warfen ihnen Knallkörper zwischen die Füße und fuhren mit der Vertreibung fort. Schwer atmend lief Angelina, Adam an der Hand, hinter |286| die Bühne, wo ein Vorhang die Spieler vor den Zuschauern verbarg. Die Zuschauer klatschten in die Hände. Offensichtlich hatte ihnen das Spiel gut gefallen. Alle miteinander, Engel, Teufel, Schlange, Adam und Eva kamen noch einmal nach vorn auf die Bühne und verbeugten sich. Die Zuschauer waren begeistert. Mutter Elisa, jetzt wieder in ihrer Ordenstracht, kam ebenfalls nach vorn, um das Schlusswort zu sprechen.
»Ich danke Euch für die Anteilnahme an unserem Spiel. Dies war die erste Sünde, die uns alle von Gott trennen sollte: vom Baum der Erkenntnis zu essen, zu wissen, was gut und was böse ist. Und vor allem: so wie Gott sein zu wollen! Ein jeder gehe von hier in Demut und Bescheidenheit, denn Gott in seinem unendlichen Ratschluss wacht über uns.«
Die Anwesenden erhoben sich feierlich und sprachen zusammen mit den Nonnen das Glaubensbekenntnis
Quicumque
.
Quicumque vult salvus esse,
ante omnia opus est, ut teneat catholicam fidem:
quam nisi quisque integram inviolatamque servaverit,
absque dubio in aeternum peribit.
»Wer auch immer gerettet sein will, dem ist vor allem aufgegeben, den wahren Glauben zu bewahren. Wer diesen nicht vollständig und unverletzt bewahrt, wird ohne Zweifel auf ewig verloren sein.«
»… wird ohne Zweifel auf ewig verloren sein.« Dieser Satz ging Angelina nicht mehr aus dem Kopf, als sie nach der Mitternachtsmesse allein in ihrer Zelle lag. Eva war durch die Schlange verführt worden, und sie hatte daraufhin Adam verführt. Bestand darin ihre Sünde? Hatte sie selbst jemanden verführt, hatte sie gar jemanden getötet, vor langer Zeit? Sie dachte an den Toten, den sie einen Moment lang während der Beichte bei dem Priester gesehen hatte, doch sie schüttelte diesen Gedanken wieder ab.
Die Feiertage waren eine Abwechslung im Einerlei des Tageslaufs. |287| Es gab Aal in Wein mit Salbei und zum Nachtisch den Panettone. Noch nie hatte das Essen so gut geschmeckt wie nach dieser Fastenzeit. Am Nachmittag begann es zu schneien. Bald lag eine weiße Decke auf den Feldern, Weinbergen und Wäldern. Als Angelina aus dem Fenster schaute und sah, wie die Welt unter einem Leichentuch versank, wurde sie traurig.
Am letzten Tag des Jahres läutete die Glocke der Kirche des Klosters Corona. Angelina wusste es jetzt: Sie würde hier bleiben. Gleich am anderen Tag setzte sie sich hin und schrieb einen Brief.
»Francesco, ich habe lange mit mir gerungen und bin zu dem Schluss gekommen, dass es besser für alle und auch für mich sein wird, wenn ich im Kloster bleibe. Seit der Zeit, die ich hier lebe, ist niemand mehr zu Tode oder zu irgendeinem Schaden gekommen. Ich habe keinen Platz mehr in der Welt. Und wenn es etwas gäbe, das einem Paradies nahekommt, dann ist es diese kleine Gemeinschaft! Ich verbringe meine Tage, ohne groß über mein Leben nachsinnen zu müssen. Es gab eine Zeit, da habe ich dich geliebt, Francesco. Aber es ist zu viel geschehen, so dass dieses Gefühl zerrissen ist wie eine Spinnwebe vom Besen der Magd. Ich werde dich immer in meinem Herzen behalten und oft an dich denken. Lebe wohl, Francesco, ich wünsche dir ein gutes Leben und eine Frau, die es besser mit dir versteht als ich.« Sie zeigte diesen Brief niemandem, auch Mutter Elisa nicht, sondern übergab das Schreiben
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