Die Hure Und Der Moench
in diesen Tagen? Der
Carnevale
des Savonarola hat begonnen!« Jetzt wurde Mutter Elisa wirklich zornig.
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich habe Verbindungen mit einem Nonnenkloster in Florenz. Es ist ein furchtbarer Aufruhr in den Straßen.«
»In mir ist ebenfalls ein furchtbarer Aufruhr, Mutter Elisa! Ich kann hier nicht stillsitzen und abwarten, was geschieht, ich muss hinaus!«
»Und wenn ich es dir verbiete?«
»Habt Ihr nicht gesagt, ich müsse mich entscheiden? Ich habe mich entschieden, heute, und nichts kann meinen Entschluss rückgängig machen. Ihr habt gesagt, Ihr tätet alles für das Seelenheil Eurer Schäfchen.«
»Das habe ich gesagt, fürwahr. Warum bist du denn so aufgeregt?«
»Ich habe heute den Keller gefunden, in dem ich mit neun Jahren gefangengehalten wurde.« Angelina holte tief Luft. »Das stimmt überein, unser Landhaus ist doch hier ganz in der Nähe! Den Kerl, der mir das angetan hat, muss ich finden. Er soll seine gerechte Strafe bekommen!«
Mutter Elisa sah Angelina erschrocken an.
»Das hast du herausgefunden? Bist du dir ganz sicher?«
Angelina nickte heftig.
|296| »Wie hast du diesen Weinkeller entdeckt?«
»Ich bin einfach so darauf gestoßen und habe mich plötzlich wieder erinnert.«
»Dann sieht es wieder ganz anders aus. Vielleicht brauchst du die Gewissheit, dass der Mann gefasst wird, um zur Ruhe zu kommen. Unter diesen Umständen gebe ich dir meinen Reisesegen.«
Sie hieß Angelina sich niederknien und legte ihr die Hand auf den Kopf.
Mit leiser Stimme sprach sie die Worte:
»Der Herr sei vor dir,
um dir den rechten Weg zu zeigen.
Der Herr sei neben dir,
um dich in die Arme zu schließen
und dich zu schützen.
Der Herr sei hinter dir,
um dich zu bewahren
vor der Heimtücke böser Menschen.
Der Herr sei unter dir,
um dich aufzufangen, wenn du fällst,
und dich aus der Schlinge zu ziehen.
Amen.«
Mutter Elisa ergriff Angelinas Hände und zog sie empor.
»Ich habe auch etwas, das mich beschützt«, sagte Angelina, griff in ihren Ausschnitt und zog den Benediktuspfennig hervor, den ihr Tante Bergitta geschenkt hatte.
»Seht hier«, sagte Angelina und hielt Mutter Elisa das Amulett hin, »vorne ist der heilige Benedikt mit Bischofsmütze, Rabe und Schlange abgebildet, hinten«, sie drehte den Pfennig um, »stehen die Buchstaben V. R. S. Ich habe mich schon manches Mal gefragt, was das bedeutet.«
»Es heißt:
Vade retro
,
S atanas’
, weiche zurück, Satan!‹«, erklärte Mutter Elisa. Angelina fühlte sich innerlich bestärkt in ihrem Vorhaben. Sie drängte zum Aufbruch. Mutter Elisa ließ Angelinas |297| Kleider aus der Effektenkammer holen und händigte sie ihr zusammen mit dem Geld aus, das Angelina bei ihrer Ankunft bei sich gehabt hatte.
»Zu wem willst du gehen, wenn du in der Stadt bist?«, fragte die Äbtissin.
»Zunächst einmal zu Botticelli. Der wird vielleicht wissen, wo sich Francesco aufhält. Und er kann mir gewiss den Namen des Wollhändlers verraten, der das Bild gekauft hat.«
Nach einer kurzen Andacht in der Kirche und der Verabschiedung von den Nonnen eilte Angelina zum Stall, wo ein Pferd gesattelt für sie bereitstand. Bianca und Dorothea hatten Tränen in den Augen gehabt, Angelina hatte es genau gesehen. Und auch die anderen Nonnen hatten sie ungern ziehen lassen. Angelina tat es selber leid, gehen zu müssen. Sie stieg auf das Pferd, ließ ihm die Zügel locker und ritt in der hereinbrechenden Dämmerung Fiesole und der Stadt Florenz entgegen. Das Tier war ein Zelter, dessen Passgang den Seitensitz ermöglichte. Über der fernen Stadt hatte sich ein drohendes, tintenschwarzes Wolkengebirge zusammengezogen. Es ist alles wie am Anfang, dachte Angelina. Bei dem Fest ihres Vaters hatte auch so eine Wolkenwand über der Stadt gestanden. Ein Bild war von der Wand gefallen, das Bild ihrer Mutter. Damit begann das Unglück.
Aber jetzt hatte sie es in der Hand. Sie wollte, dass das Porträt von Francesco erhalten blieb. Und es ging nicht darum, dass andere es sehen könnten oder dass Savonarola es verdammen könnte. Das Bild war das Pfand der Liebe zwischen Francesco und ihr, das gestand sie sich jetzt ein.
|299| 3. TEIL
Februar 1498 – Mai 1498
|301| 37.
»Hörst du den Lärm da draußen, Girolamo?«, fragte Domenian.
Die Augen des Priors Savonarola glühten wie in alten Tagen, doch er sah abgezehrt aus, mehr denn je. Seine Aufgabe würde ihn noch umbringen.
»Du hörst nicht nur die Trommeln der
Arrabiata
, Domenian, es
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