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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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überhaupt nichts verändert. Der Geruch nach Tempera und Terpentin hing immer noch im Raum, Kästen mit Farben und Pinseln standen in Regalen an den Wänden. |304| Botticelli war allein. Er saß an einem der Tische, einen Krug Wein vor sich, und starrte trübe auf sein Kreuzigungsbild. Langsam wandte er sich um.
    »Es freut mich, Euch zu sehen, Signorina Girondo«, sagte er. »Setzt Euch doch.«
    Sein Gesicht sah müde aus. Die Haut, die früher prall über die Wangen gespannt war, hing in losen Falten herab. Auch schien er an Gewicht verloren zu haben.
    »Mich freut es ebenfalls, Signor Botticelli«, gab Angelina zurück und strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. »Gern denke ich an die Fahrt nach Grassina zurück, während der Ihr mir von Eurer Kunst erzählt habt.« Sie rieb sich die kalten, feuchten Hände.
    »Ich erinnere mich«, meinte Botticelli. »Es war im Juni, glaube ich. Wir waren auf der Flucht vor der Pest.« Erst jetzt bemerkte er ihren Zustand. »Mein Gott, Ihr seid ja ganz durchnässt! Hier, nehmt das.« Er holte ein sauberes Tuch und warf es ihr zu.
    »Wart Ihr den ganzen Sommer in der Stadt? Verzeiht, dass ich das nicht früher gefragt habe. Aber unsere letzte Begegnung war ja ein wenig … turbulent.« Sie trocknete ihr Haar.
    »Francesco und Sebastiano sind nach Rom gegangen«, sagte Botticelli wie zu sich selbst. Wusste er nicht, dass Francesco zurückgekehrt war?
    Als hätte er ihre Gedanken erraten, fuhr Botticelli fort: »Francesco hat mich verlassen!« Er hieb mit der Faust auf den Tisch. »Er sagte, er könne mit meiner Art der religiösen Malerei nichts mehr anfangen.«
    »Francesco ist der Grund, warum ich zu Euch komme, Signor Botticelli. Ich habe erfahren, dass er das Bild, das meine Eltern bestellt hatten, an einen reichen Wollhändler verkauft habe.«
    Botticelli riss die Augen auf. Sein Kinn zitterte.
    »Hat er das Bild verkauft, anstatt es in den Dom zu bringen …«
    »Wieso in den Dom?«
    »Er wollte es den
Fanciulli
geben, damit es morgen im Fegefeuer verbrannt wird.«
    |305| »War das sein eigener Wille?«, fragte Angelina mit zitternder Stimme.
    »Ich hatte ihm den Auftrag gegeben«, antwortete Botticelli. »Vielleicht hat er es auch vor den
Fanciulli
in Sicherheit gebracht.« Er schlug sich an die Stirn. »Ihr müsst mir verzeihen! Ich hatte Eurer Mutter ja versprochen, es ihr auszuhändigen, aber ich bin so vergesslich geworden.«
    »Wie konntet Ihr ihm nur diesen Auftrag geben?«, rief Angelina. »Dieses Bild darf kein Raub der Flammen werden!«
    Der Maler sank in sich zusammen. »Was ich mache, ist verkehrt«, murmelte er.
    »Wisst Ihr, wohin Francesco gegangen ist?«, fragte Angelina.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Botticelli. »Und jetzt möchte ich Euch bitten, mich allein zu lassen. Es wird eine schwere Nacht für mich werden.«
    »Wegen des ›Fegefeuers der Eitelkeiten‹?«, fragte Angelina.
    »Ja, deswegen. Ich zerbreche mir den Kopf, welche meiner Bilder ich dem Feuer übergeben soll.«
    »Gar keins! Aber wenn es schon sein muss: nicht den ›Frühling‹ und die ›Geburt der Venus‹«, sagte Angelina schnell.
    »Diejenigen, die sündige Gedanken erwecken könnten, muss ich zum Scheiterhaufen bringen«, entgegnete Botticelli.
    »Aber Ihr habt doch selbst keine sündigen Gedanken beim Malen gehabt?«, fragte Angelina.
    »Nein, natürlich nicht. Obwohl … wenn ich an meine Muse Simonetta denke …«
    Er vergrub das Gesicht in den Händen. Einige Zeit lang saß er so.
    »Bedenkt, was Savonarola mit seinen Untertanen gemacht hat«, sagte Angelina. »Und was die
Fanciulli
in seinem Namen angerichtet haben!«
    Botticelli hob die Augenbrauen. »Savonarola schuf sich eine eigene Signoria della Notte, die aus Kindern und Halbwüchsigen besteht«, entgegnete er. »Und Ihr habt recht, sie bespitzeln jedermann, auch die eigene Familie, und melden jeden angeblichen |306| Verstoß an die Signori, die Savonarola hörig sind. Unser Stadtrat hat nichts mehr zu melden! Nachbarn müssen ihre Nachbarn anzeigen, wenn sie den Vorstellungen Savonarolas nicht entsprechen. Bei diesen Kindern und Halbwüchsigen gibt es welche, die Strafen verhängen dürfen, Almosenmänner, die Spenden einsammeln oder vielmehr erpressen, Inquisitoren, Spitzel, die nach Verbotenem Ausschau halten, und Straßenreiniger. Vor allem suchen sie nach Gegenständen, die Wollust erwecken könnten. Nach Spielern und nach Menschen, die sich der Völlerei ergeben … Wollt Ihr einen Becher Würzwein?

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