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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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dazwischen.
    »Ich habe dir schon einmal gesagt: Wenn es um das Seelenheil eines meiner Schäfchen geht, kümmere ich mich nicht um die Regeln. Nehmen wir einmal an, ich wäre die Schlange, die dir gesagt hat, du sollest vom Baum der Erkenntnis essen. Was geschah daraufhin?«
    |291| »Adam und ich wurden aus dem Paradies vertrieben.«
    »Und was bedeutet das für dich?«
    »Es ist nichts mehr, wie es war. Die ganze Welt ist dunkel, jeder ist des anderen Feind, alle raffen Reichtümer an sich, niemand redet mit seinem Nächsten. Das Recht ist das Recht des Stärkeren, die Schwachen werden niedergemacht.«
    »Denk nach, Angelina. Gibt es nicht noch eine andere Bedeutung des Geschehens? Was ist mit dem Baum der Erkenntnis?«
    »Wir konnten jetzt zwischen Gut und Böse unterscheiden und erkannten uns als Mann und Frau. Das war die Erbsünde, wie es die Bibel lehrt.«
    »Das Wichtigste daran ist, dass du dich entscheiden kannst, Angelina! Du hast Francesco als Mann erkannt, du liebst ihn, aber vertraust ihm nicht. Du kannst dich entscheiden, ob du den Schleier nehmen und bei uns bleiben oder nach Florenz zurückkehren und zu deinem Geliebten gehen willst. Du kannst dich entscheiden, ob du länger so krank und trübsinnig dahinleben oder den Vorhang zerreißen willst, der dich davon abhält, eben diese Entscheidung zu treffen!«
    Es war Angelina, als sehe sie ein Licht in ihre Zelle kommen, das alles ein wenig heller, bunter und wärmer machte.
    »Ich weiß jetzt wieder, warum ich weggelaufen bin«, sagte sie und lächelte Elisa zu. »Ich wollte fliehen, alles hinter mir lassen, mir die Ohren zuhalten. Ich hatte genug von der Welt und ihren Umtrieben. Ich wollte mich verstecken, begraben sein, für immer von der Welt verschwinden!«
    Elisa furchte sorgenvoll die Stirn.
    »So übel hat man dir mitgespielt, mein Schäfchen«, sagte sie versonnen. »Aber die Wahrheit wird an den Tag kommen, das schwöre ich dir, Angelina!«
     
    Die Tage und Wochen gingen dahin, und Angelina kam langsam wieder zu Kräften. An den Sonntagen hatte Mutter Elisa ihr erlaubt, mit anderen Nonnen ein wenig in den Weinbergen und |292| Wäldern spazieren zu gehen. Angelina nahm das Angebot gerne an, entschied sich aber, allein in der Umgebung zu wandern. Es war der zweite Sonntag im Monat Februar. Wollte nicht Savonarola demnächst einen zweiten Karneval veranstalten? Waren nicht Rinaldo und seine Töchter aus ihrer Gastwirtschaft vertrieben worden? Und sammelten die
Fanciulli
nicht seit Wochen ›Eitelkeiten‹ ein, um sie dem Feuer zu übergeben? Mutter Elisa hatte ihr erzählt, dass schon ›sündige Gegenstände‹ aus Pisa herbeigeschafft werden mussten, weil die Bürger von Florenz keine mehr besaßen. Oder sie versteckt hielten.
    Die lähmende Müdigkeit, das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können, waren fast ganz von Angelina gewichen. Sie durchquerte einen Weinberg, an dessen Rebhängen schon das erste Pfennigkraut wuchs, und wanderte mit zügigen Schritten auf einem Weg am Waldrand dahin. Über den Bergen lag ein milchiger Dunst, den die Sonne immer mehr durchdrang. Weiter unten lag das Kloster, das Angelina in den letzten Monaten zur Heimat geworden war. Es war, als hätte die allmählich erwachende Natur auch Angelina aus dem Winterschlaf vertrieben. Sie fühlte sich leicht und hatte Lust, um jede Ecke zu schauen, um zu sehen, was sich dahinter verbarg. Unvorstellbar, dass sie noch vor kurzer Zeit an den Tod gedacht hatte.
    Die Sonnenstrahlen wärmten ihre Haut wie ein milde knisterndes Feuer. Und wirklich, die Bauern waren dabei, verdorrte Zweige und Äste zu verbrennen. Der Rauch kräuselte sich in den Himmel und erinnerte an Abende zu Hause mit gebratenen Äpfeln, frisch gebackenem Brot und Würzwein. Angelina hätte ewig so weitergehen können. Aber sie durfte nicht zu lange ausbleiben, sonst würde Mutter Elisa wieder nach den Männern im Dorf schicken, um sie zu suchen. Angelina erreichte die Stelle, an der sie in den Weinkeller geflüchtet war, und wich zurück. Jetzt erinnerte sie sich.
    Sie taumelte, musste sich setzen, so lebhaft waren die Bilder in diesem Augenblick.
    In so einem Keller war sie eingesperrt gewesen, ein Mann hatte |293| sie jeden Tag besucht und ihr zu essen und zu trinken gebracht. Sie konnte höchstens neun Jahre alt gewesen sein. Der Mann hatte sich ihr immer wieder genähert, hatte seinen feuchten Mund auf ihren gedrückt, sie geheißen, sich auszuziehen, sie tanzen lassen. Und es war noch mehr passiert:

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