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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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dann?«
    »In der Kirche ist niemand mehr. Der Priester muss ja irgendwohin gegangen sein.«
    »Vielleicht kniet er noch vor dem Altar und betet?«, vermutete Francesco.
    »Ich muss in die Kirche, du kannst ja derweil nach Hause gehen«, sagte Angelina schnippisch. »Oder zu Botticelli, um ihm in der schweren Stunde beizustehen.«
    »Du solltest ebenfalls nach Hause gehen, Angelina«, bemerkte Francesco. »Hast du nicht deinen Eltern und Geschwistern versprochen, sie zu besuchen? Sie sind ja wieder zurück aus dem Kloster.«
    »Es macht mir Angst! Ich sehe meine Mutter vor mir, wie sie all ihre Wertgegenstände aus den Verstecken holt, jetzt, nachdem Savonarola verhaftet ist. Ihr ist es doch nie um uns gegangen, sondern nur um ihren Vorteil. Mein Vater ist ein Humanist, aber er hat sich weiß Gott auch nicht immer anständig verhalten!«
    Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Francesco folgte Angelina zur Kirche. Sie betraten das düstere Schiff, dessen Wände mit Fresken bemalt waren. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine kleine Pforte offen.
    »Da siehst du, wohin unser Vogel verschwunden ist«, bemerkte Francesco. »Lass uns von hier weggehen.«
    Sie traten ins Freie. Ein Schwarm von Spatzen erhob sich tschilpend in die Höhe. Die Piazza San Marco lag im hellen Frühlingslicht. Es war, als habe sich ein dunkler Schleier von der Stadt gehoben und gemahne sie an ihre alte Pracht. Francesco fasste nach Angelinas Hand.
    |356| »Warum willst du diesen Priester unbedingt finden?«, fragte er.
    Sollte sie es ihm sagen? Er hatte mehr als andere das Recht dazu, es zu erfahren.
    »Ich glaube mit ziemlicher Gewissheit, dass er derjenige ist, der mich in meiner Kindheit in einem Weinbergkeller gefangenhielt.«
    »Du meinst das dunkle Geheimnis, von dem du uns damals im Garten erzählt hast?«
    »Ich muss herausfinden, was damals geschehen ist und warum ich mich seitdem schuldig fühle.«
    »Warum sollte gerade er es gewesen sein?«
    »Vieles in seiner Haltung und in seiner Statur erinnert mich an ihn. Auch seine Stimme, wenn er sie auch verstellt haben mag, als er mich bedrohte.«
    »Er ist Angehöriger dieses Klosters.« Francesco fiel etwas ein und er verzog das Gesicht. »Könnte uns nicht Botticelli Auskunft darüber geben, um wen es sich handelt? Schließlich hat er Beziehungen mit Savonarolas Anhängern unterhalten.«
    Das war ein Hoffnungsschimmer für Angelina. Die beiden durchquerten die Stadt. Die Menschen waren immer noch sehr aufgeregt, überall standen Gruppen beieinander und disputierten. Aber aus den Backstuben strömte der Geruch nach frischem Brot, aus den Wirtshäusern ertönten fröhliche Stimmen. Schon waren auch wieder geschminkte Mädchen mit hohen Absätzen zu sehen. Sie hatten ihre Schellen abgelegt.
    In der Via Nuova roch es wie ehedem nach Beize, und aus Botticellis Werkstatt kam ihnen der Geruch nach Temperafarben entgegen. Sandro Botticelli saß jedoch untätig herum, während seine Gehilfen eifrig malten und grundierten. Der Meister war auffallend blass. Francesco bat ihn, mit ihnen nach draußen zu kommen. Botticelli willigte widerstrebend ein. Sie begaben sich zum Ufer des Arno. Schwäne und Enten schwammen im Wasser, das ruhig dahinfloss. Das Spiegelbild der Uferweiden wurde von den Wellen verzerrt.
    »Verzeih mir, Sandro, dass ich dich so wütend verlassen habe. Ich |357| denke, die jetzigen Ereignisse hatten ihre Schatten vorausgeworfen.«
    »Ich habe dir schon längst verziehen, du Hitzkopf«, winkte Botticelli ab.«Aber ihr werdet verstehen, dass ich unter diesen Umständen nicht mehr malen kann. Es ist nicht nur Girolamo Savonarola, dessen Schicksal mir den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ich weiß auch nicht, wie es jetzt mit mir weitergeht.«
    »Was wirst du unternehmen?«, fragte Francesco.
    »Ich kann nur hoffen und beten, dass mein Ansehen groß genug ist, dass ich unbehelligt bleiben werde. Aber genau werde ich es erst wissen, wenn das alles vorbei ist.«
    »Ihr bleibt also hier und setzt auf die Rückkehr der Medici, so wie alle anderen auch«, sagte Angelina sanft. Botticelli seufzte beschämt und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Du wirst auch wieder andere Dinge malen, dich mit anderen Themen beschäftigen«, warf Francesco ein.
    »Nie im Leben!«, fuhr der Meister auf. »Was mit Savonarola geschieht, ist die größte Ungerechtigkeit, die mir in meinem Leben begegnet ist! Aber ihm wird Gerechtigkeit widerfahren, das schwöre ich euch. Eines Tages wird er noch

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