Die Hure Und Der Moench
heiliggesprochen werden. Ich hoffe nur, dass sie mich nicht zwingen, seiner Hinrichtung beizuwohnen.«
»Glaubt Ihr denn, dass es wirklich dazu kommt?«, fragte Angelina.
»Der Papst kann gar nicht anderes, als ihn zum Tod zu verurteilen. Zu sehr hat sich Savonarola gegen die Kirche aufgelehnt. Das Volk will ihn brennen sehen! Und wenn er nicht brennt, wird sich die Wut der Bürger gegen die
Compagnacci
wenden, diese Bürgersöhne, die inzwischen im Stadtrat sitzen. Entweder sie töten Savonarola oder sie werden selbst von der aufgebrachten Masse getötet.«
Sie setzten sich auf ein paar Steine, die von der Sonne erwärmt waren.
»Wir wollten dich noch etwas fragen, Sandro«, sagte Francesco. »Du kennst doch sicher die Menschen, mit denen Savonarola Umgang hatte.«
|358| Botticelli überlegte. »Ja, die, mit denen er engeren Umgang pflegte. Da wären einmal Domenico da Pescia und Silvestro Maruffi, die beide mit ihm im Kerker sitzen. Morgen bringt man Savonarola in den Bargello-Palast, um ihn zu foltern.« Eine Träne lief dem Maler die Wange herab. Er wischte sie fort.
»Dann gab es noch einen Domenian Brenetto, den er gelegentlich erwähnte. Er ist für ihn nach Rom gegangen, um dem Papst seine abschlägige Nachricht auf Alexanders Angebot zu überbringen.«
Angelina Herz begann schneller zu klopfen. Konnte das der Mann sein, den sie suchte?
»Woher stammt dieser Brenetto?«, fragte sie.
»Aus der Nähe von Fiesole, soweit ich weiß«, gab Botticelli zur Antwort.
Angelina wurde es heiß und kalt.
»Hat er noch Eltern und Geschwister?«, fragte sie atemlos.
»Er stammt aus einer Bauernfamilie. Es ist einmal ein Bruder da gewesen, der ist aber ganz jung gestorben. Es muss ein schrecklicher Unfall gewesen sein, direkt danach ist er ins Kloster eingetreten.«
»Wir müssen diese Familie aufsuchen«, sagte Angelina zu Francesco und stand auf. »Vielleicht ist er dorthin zurückgekehrt.«
»Wir wissen nicht, ob es der von uns Gesuchte ist«, gab Francesco zurück.
»Aber es ist zumindest eine Spur«, rief Angelina. »Ich erinnere mich, dass es im Nachbardorf eine Familie Brenetto gab. Mit dem Sohn dieser Familie war ich bekannt. Ich muss mit ihnen sprechen!«
»Das klingt so, als wärest du diesem Mann in irgendeiner Weise nahe«, sagte Francesco mit einem gereizten Unterton.
»Ich muss wissen, was damals geschah, sonst komme ich nicht mehr zur Ruhe«, versetzte Angelina.
»Ich komme mit, ich habe es versprochen«, seufzte Francesco.
Am frühen Abend erreichten Angelina und Francesco Fiesole. Sie ritten am Sommerhaus der Girondos vorbei. Angelina dachte wieder an den Tag des Frühlingsfestes, als sich das Gewitter über Florenz |359| zusammenzog. Wie arglos war sie damals gewesen! Und doch hatte auch zu diesem Zeitpunkt schon eine unbestimmte Trauer über ihr gelegen, deren Ursprung sie jetzt endlich ergründen konnte. Die untergehende Sonne warf einen rötlichen Schein auf die erdbraunen Ziegel des Daches. Dort war der Brunnen, an dem der arme Signor Fredi … war das alles wirklich erst ein Jahr her? Angelina schien diese Zeit wie ein halbes Leben.
Im Nachbardorf fanden sie das Haus der Brenettos schnell. Ein paar zerrupfte Hühner spazierten vor der Kate herum, die ungepflegt wirkte. Ein älteres Paar saß auf einer Bank vor dem Haus. Der Zwetschgenbaum im Garten stand in voller Blüte.
»Signor und Signora Brenetto?«, fragte Francesco.
»Ja, das sind wir«, antwortete der Mann und stand schwerfällig auf. Sein Gesicht war sonnenverbrannt und faltig wie das einer Eidechse.
Seine Frau, die verhärmt wirkte, sah Angelina und Francesco aus Augen an, die denen eines Adlers glichen, so durchdringend wirkten sie.
»Wir suchen Euren Sohn Domenian«, sage Francesco.
»Wieso, hat er etwas ausgefressen?«, fragte die Frau. Ihr Gesicht spannte sich.
»Nein, er hat ein Bild von mir in Verwahrung, das ich jetzt verkaufen möchte. Aber er ist verschwunden.« Angelina wunderte sich, das er ohne rot zu werden lügen konnte.
»Meine Familie und ich sind früher Nachbarn von Euch gewesen«, warf Angelina ein. »Lorenzo und Lukrezia Girondo. Ich heiße Angelina.«
»Ich erinnere mich«, meinte die Frau. »Aber wir haben Domenian schon lange nicht mehr gesehen. Er ging als junger Mann nach Florenz, weil er dort eine Predigt von Savonarola gehört hatte. Und trat dann ins Kloster San Marco ein.«
»Zu mehr als zu einem Mönch taugte er auch nicht«, brummte der Vater.
»Und was ist aus seinem Bruder
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