Die Hure Und Der Moench
Francesco, »ich würde sie liebend gern in einem anderen Gewand malen, wenn du es gestattest. Sie hat sich ein Kleid von Tomasio Venduti anfertigen lassen, genau zugeschnitten auf dieses Porträt.«
»Es wird schon recht sein«, gab Botticelli zurück. »Hört einmal her.« Er wandte sich an alle. »In den nächsten Tagen muss ich nach Rom, ich brauche andere Luft, und vielleicht lässt sich das eine oder andere Werk verkaufen. Auch nach Goldfarben will ich schauen, nirgends gibt es leuchtendere als in der Ewigen Stadt. Ich überlasse euch die Werkstatt, schaut zu, dass ihr die Aufträge vor meiner Rückkehr fertig bekommt!«
»Wir werden uns beeilen, so gut wir können«, sagte einer der Gesellen.
»Das würde ich dir auch raten, Sebastiano di Torre!«, gab Botticelli zurück und drohte ihm scherzhaft mit dem Zeigefinger.
»Ich wünsche dir eine gute Reise, Meister«, fiel Francesco ein. Nachdem Botticelli noch einige der halbfertigen Porträts inspiziert hatte, die alle ein ähnliches Frauengesicht aufwiesen, verließ er mit schweren Schritten die Werkstatt und stampfte die Treppe hinauf in seine Wohnung. Francesco nahm Angelina am Arm und führte sie in die Ecke nahe beim Fenster, wo die Leinwand mit dem angefangenen Porträt stand.
»Warum haben Botticellis Frauen alle ein ähnliches Gesicht?«, fragte sie. Francesco lachte.
»Es gibt Gerüchte, nach denen Botticellis Muse Simonetta Vespucci war, die junge Frau eines der Nachbarn der Botticellis.«
»Ja, ich habe von ihr gehört«, meinte Angelina.
»Sie war eine gefeierte Schönheit und Mittelpunkt der Florentiner Gesellschaft. Es wurde gemunkelt, dass Botticelli sie ohne Kleider |48| gemalt habe und dass sie Vorbild der ›Venus‹, der Nymphe im ›Frühling‹ und vieler anderer Frauengesichter gewesen sei … und noch ist. Als sie starb, folgten dem Trauerzug die Reichen und Mächtigen der Stadt, Künstler und Gelehrte, die Medici, Orsini und Vespucci.«
»Hat Botticelli nie geheiratet?«
»Nein. Ich glaube, dann hätte sich sein Talent auch nicht so entfalten können. Aber jetzt wollen wir zur Tat schreiten. Legt doch Euren Mantel ab, Angelina.«
Sie zog den Mantel von ihren Schultern und hängte ihn über einen Stuhl.
»Bella, bellissima!«
, rief er aus und schlug die Hände zusammen. Sie holte tief Luft und setzte sich auf den Sessel, in dem er letztes Mal begonnen hatte, sie zu malen. Francesco holte seine Palette und die Pinsel und stellte sie auf ein Pult.
»Neigt Euren Kopf ein wenig mehr nach links«, sagte er, »damit der Ton der Haare besser zur Geltung kommt. Und nehmt doch diesen Schal weg, der verbirgt zu viel von Euch.«
Angelina glaubte nicht richtig gehört zu haben. Sie sollte ihren Ausschnitt entblößen und ihn den vielen Augen preisgeben, die später das Bild betrachten würden?
»Ich möchte ihn anbehalten«, beharrte sie.
»Angelina, alle Frauen lassen sich heute so malen, unabhängig davon, was Savonarola dazu sagt. Man muss das Bild ja nicht gerade öffentlich aushängen.«
»Wenn Ihr meint …«, sagte Angelina zaghaft. Sie löste den Schal und hängte ihn neben den Mantel.
»Ja, so sieht es schon viel besser aus.«
Angelina sah wieder diesen Glanz in seinen Augen. Francesco tauchte wieder und wieder den Pinsel in die Farben und warf sie zügig auf die Leinwand. Zwischendurch hielt er inne, kniff ein Auge zusammen, als messe er den Abstand zwischen ihnen beiden.
»Ihr könntet das Kleid ein wenig über die Schulter herunterziehen«, sagte er in einem Ton, als sei es das Selbstverständlichste der |49| Welt. Angelina fühlte sich wie mit Blut übergossen. Wenn das ihre Eltern wüssten!
»Nein, das kann ich nicht. Bei aller Geneigtheit für Euch, Francesco, aber das geht zu weit!«
Francesco streckte die Hände vor, wie um sie zu beruhigen.
»Macht Euch keine Sorgen. Ich brauche ziemlich viel von Euch, um die Proportionen richtig zu gestalten. Michelangelo und Leonardo studieren Körper, um die idealen Proportionen zu finden. Wenn es Euch peinlich ist, kann ich ja am Ende den Schal darüber malen.«
»Das wäre mir recht«, antwortete Angelina. »Meine Eltern sind sowieso nicht so gut auf Euch zu sprechen.« Das war ihr herausgerutscht, und sie hätte sich auf die Zunge beißen mögen.
»Was befürchten Eure Eltern?«, kam es mit einem etwas spöttischen Lächeln von Francesco.
»Sie meinen, ich hätte mich in Euch verguckt, aber sie würden Euch nicht …«
»Habt Ihr das denn?« Sein Gesichtsausdruck war
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