Die Hure Und Der Moench
Augen glänzten noch fiebriger als sonst.
»Ich habe davon gehört«, seufzte Domenian.
»Wir müssen Vorsorge treffen. Besucher dürfen nicht mehr ins Kloster, solange die Krankheit in der Stadt wütet.«
»Aber was wird mit den Gottesdiensten?«, fragte Domenian entsetzt. »Müssen wir die ebenfalls einstellen?«
»Wir geben einen Flugzettel heraus, auf dem steht, dass dies eine der Plagen ist, die uns Gott wegen des lästerlichen Lebenswandels der Florentiner schickt. Die Bürger müssen sich mehr denn je aller Eitelkeiten enthalten, sollen zu Gott beten und in die Kirche unseres Klosters kommen. Gott wird dafür sorgen, dass ihnen nichts geschieht.«
»Aber ist es nicht verboten, während einer solchen Zeit Versammlungen abzuhalten?«
»Wer will das verbieten? Alles, was wir den Menschen sagen, kommt von Gott. Die Medici haben das Volk in die Sünde getrieben. Alles, was hier galt, waren Macht und Geld, irdische und fleischliche Gelüste, Domenian! Wir bringen das Heil, wir sind die Auserwählten, die Ordnung und Frieden in die Stadt gebracht haben! Und wenn noch so viele Herrensöhnchen uns mit ihrem Spott verfolgen, ihren Unrat über uns ergießen, so werden wir es doch bis zum Ende ertragen. Und am Ende steht der Staat Gottes!«
»Wir dienen dem Herrn und den Menschen«, murmelte Domenian wie im Gebet. Sie bewegten sich im Kreuzgang nebeneinanderher.
|55| »Du bist mein Schlüssel, Domenian«, sagte Savonarola und legte ihm die Hand auf den Arm. Es war, als führe eine sengende Flamme in den Stoff von Domenians Gewand. »Du warst ein Landjunge, der nur ein einfacher Mönch werden wollte, doch ich habe dich zum Priester weihen lassen. Ich wollte dir immer besondere Aufgaben übertragen, und dazu gehören nicht nur die innerhalb des Klosters.« Er blieb stehen und blickte ihm fest in die Augen. »Dir übertrage ich ab heute die Mission, dich den fleischlichen Verfehlungen in dieser Stadt zu widmen, sie aufzuspüren, anzuzeigen und zur Ahndung zu bringen.«
»Das würde mir wohl gefallen«, sprach Domenian. »Aber bin ich einer solchen Aufgabe überhaupt würdig? Sind nicht deine Brüder Domenico und Silvestro besser dafür geeignet?«
»Die beiden brauche ich für die Predigten«, winkte der Meister ab. »Sie gelten vielleicht als meine engsten Vertrauten, dich aber benötige ich für die Dinge, die das Volk betreffen. Glaube mir, du bist mir ebenso lieb und teuer wie die anderen. Denn du bist bescheiden und voller Wahrheit. Du dienst deinem Glauben und setzt dich dafür ein, unabhängig von Gefahren für Leib und Leben. Das habe ich in der Zeit, die du bei uns weilst, schon bemerkt.«
»Ich werde dir dienen, Herr, und ich werde Gott dienen! Nichts soll mich mehr davon abhalten.«
Nach dem Mittagessen zog sich Domenian aufgewühlt in seine Zelle zurück. Hier lag er sinnend eine Weile auf dem Boden, über sich das Kreuz an der Wand. Von draußen zirpten zaghaft Vogelstimmen herein.
»Welche Prüfung hast du mir auferlegt, o Herr«, murmelte er. Nein, er würde sich heute nicht geißeln. Savonarola hatte gesagt, er solle seine Kräfte sparen, er habe schon Verzeihung für seine Sünden erlangt. Domenian müsse nur die Sünden der anderen erkennen und bestrafen, dann sei ihm das Heil gewiss. Sein Herr betraute ihn mit einer Aufgabe, die er, Domenian, schon von sich aus erwählt hatte. Das zeigte, dass er auf dem rechten Weg war. Domenian fiel in einen Halbschlaf. Von fern drangen die Vogelstimmen |56| zu ihm herüber. Er sah die sanften Hügel der Toskana vor sich. Auf einem Weinberg erhob sich ein Haus, ein Bauernhof. Seine Mutter öffnete die Tür, schritt hinab zu ihrem Garten, in dem sie Zichorien, Pasternaken und grünen Karfiol anbaute. Sie winkte ihm zu, doch schien sie zu schrumpfen, wurde immer kleiner und verschwand schließlich ganz.
|57| 7.
Francesco trat von der Staffelei zurück und betrachtete das Bild. Der Farbauftrag war ihm gut gelungen. Das schmale Gesicht Angelinas wirkte wie von einfallendem Licht beleuchtet, der Ausdruck war halb ernst, halb schaute sie ihn irgendwie … wissend an. Das tiefe, dunkle Rot des Kleides hatte er schon aufgetragen. Es war ihm, als höre er die Seide knistern. Es fehlten noch die kleinen Blüten aus Goldperlen, Hemd und Unterkleid. Er würde Eierschalen zerreiben müssen, um den Farbton genau zu treffen. Sein Blick blieb auf dem Ansatz ihres Busens hängen.
Den Ausschnitt könnte er noch ein wenig tiefer malen oder Angelina noch einmal bitten, das
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