Die Hure Und Der Moench
Signora Scroffa.
»Nichts aber. Ich stehe zu ihm, komme, was wolle.«
»Was soll denn noch kommen?«, fuhr Francesco auf. »Reicht es dir nicht, Sandro, was er bis zum heutigen Tage angerichtet hat? Söhne und Töchter hat er gegen ihre Eltern aufgebracht, Ehegatten verfeindet, alles, was gut und schön ist in dieser Welt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt!«
Botticelli begann vor Aufregung zu zittern.
»Alles, was schön und gut ist auf der Welt, hat er von der Kanzel verkündigt, Francesco! Wie kannst du es wagen, das, was er predigt, anzuzweifeln?«
»Ich zweifle es an, weil es die Menschen unglücklich macht.« Francesco war aufgestanden und ballte die Fäuste.
Botticelli schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen, Francesco!«, schrie er. »Ich will dich nicht mehr sehen!« Er schnaufte. »Und jetzt möchte |107| man mich bitte entschuldigen.« Botticelli stand abrupt auf, dabei fiel sein Glas mit dem Rest des Weines zu Boden.
»Das macht nichts«, rief Signora Scroffa.
Nachdem Botticelli im Haus verschwunden war, herrschte betroffene Stille.
»Jetzt habe ich ihn vertrieben«, unterbrach Francesco als Erster die Stille.
»Er sollte sich mit seiner Freundschaft zu dem Mönch nicht so weit vorwagen«, knurrte Scroffa. »Wenn der wüsste, mit wem er es hier zu tun hat!«
»Ach, was?«, fragte Venduti. »Mit wem hat er es denn zu tun, wenn man fragen darf?«
»Das war ein Scherz, mein Herr. Eleonore, sag der Dienerin, dass sie den zweiten Gang auftragen soll.«
Signora Scroffa nahm das Silberglöckchen, das neben ihrem Teller stand, und klingelte. Die Dienerin erschien alsbald mit einer Platte kalter Rinderzunge. Dazu gab es grüne Soße und einen süßen Wein aus der Region. Während des Mahles wurde über dies und das geplaudert, über die Einbrüche bei der Tuchfabrikation, den Weinbau in Grassina und das Versagen des französischen Königs, von dem die Florentiner arg enttäuscht waren. Nach dem Essen wischte sich Signor Scroffa die Hände an seiner Serviette ab und sagte:
»Wollt ihr alles, was wir hier so sehr genießen, in Zukunft missen? Es sei Sünde, sagt Savonarola, gut zu essen, sich mit ein wenig Schönheit zu umgeben, Schmuck zu tragen.« Er zog einen Diamantring von seinem Zeigefinger und warf ihn auf den Tisch. »Soll es Sünde sein, einen solchen Ring zu tragen? Wozu wurde er denn gemacht? Wozu wurde der ganze schöne Schmuck gemacht? Um die Hände bedeutender Männer und Frauen zu schmücken! Warum sollen sich unsere Frauen nicht mit ein wenig Schminke hübscher machen? Das kann nur Gottes Wille sein, denn sonst hätte er ihnen die Schönheit nicht gegeben.«
»Er hat die Frauen so hübsch gemacht, damit du ihnen nachsteigen |108| kannst«, bemerkte seine Gattin spitz. Alle lachten, nur Tomasio schaute düster vor sich hin. Vielleicht ärgerte er sich darüber, dass Angelina ihn nicht erhören wollte. Bisher hatte sie sich zurückgehalten, aber jetzt drängten sich ihr die Worte auf die Lippen.
»Was meintet Ihr vorhin, Signor Scroffa, als Ihr von Eurer Bedeutung spracht?«
»Sag’s ihr«, drängte Eleonore Scroffa. »Wir sind jetzt doch unter uns.«
Die Kinder fingen an, sich zu balgen.
»Geht spielen«, verwies ihre Mutter sie. »Kommt zum Nachtisch wieder.«
»Gut, ich werde reden«, meinte Scroffa und senkte die Stimme. »Seit die Medici vertrieben worden sind, gibt es eine Gruppe von Bürgern, welche die Absetzung Savonarolas betreiben wollen. Ihrer Meinung nach hat er unseren Stadtstaat ins Unglück gestürzt. Er mag noch so fromm reden, aber er redet an den wahren Wünschen des Volkes vorbei. Mit Höllenbußen droht er ihnen und nimmt ihnen damit jede Lebensfreude.«
»Ich stimme Euch zu«, meinte Tomasio. »Lange wird das Volk das nicht mehr mitmachen. Die Wollust und die Freude an allem Sündigen sind dem Menschen in die Wiege gelegt.« Er schaute Angelina an.
»Ihr macht Euch einflussreiche Feinde, wenn Ihr Savonarola absetzen wollt, Matteo«, gab Francesco zu bedenken. »Habt Ihr nicht Angst um Euer Leben?«
»Der Tod kann mich immer und überall treffen. Sind wir ihm nicht gerade erst entronnen? Nein, es ist mir eine wichtige, eine heilige Aufgabe, die Welt von diesem Teufel in Menschengestalt zu befreien!«
Die Dienerin brachte den Nachtisch, Mandeltörtchen und Kirschen, und eilig kamen Giacomo und Lisetta herbeigelaufen, die Gesichter gerötet. Das Gespräch wandte sich wieder allgemeineren Dingen zu.
|109| Am
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