Die Hure Und Der Moench
sogar der Blutschande mit seiner unehelichen Tochter Lukrezia Borgia.
Bequem saß der Papst auf einem mit Samt ausgeschlagenen Sessel, der mit Rubinen, Perlen und Saphiren besetzt war. Er blätterte in einem uralten Lederband. Sein Gesicht war feist: Unter der gebogenen Nase zeigten sich fleischige Lippen, die er lautlos bewegte. Alexander trug eine rostrote Soutane und ein ebenso farbiges Käppchen. Jetzt blickte er auf. In seinen großen Augen lag ein spöttischer Ausdruck. Domenian versuchte eine freundliche Miene aufzusetzen, trat an den Papst heran und küsste den ihm dargebotenen Ring.
»Was ist Euer Begehr, Domenian Brenetto?«, fragte der Papst mit brüchiger Stimme.
Domenian räusperte sich.
»Mein Herr, der hochwohlgeborene Girolamo Savonarola schickt mich mit einer Antwort auf Euer Seligkeit Exkommunikation. Er lässt Euer Seligkeit ausrichten, dass die Exkommunikation bedeutungslos ist. Euer Seligkeit habe das Recht darauf verwirkt, |119| solche Entscheidungen zu treffen. Euer Seligkeit sei nicht unfehlbar.« Ihm brach der Schweiß aus allen Poren. Ob er nun an Savonarolas Stelle in die Engelsburg, gar als Ketzer vor die Inquisition gebracht wurde? Er war bereit, ins Paradies einzugehen, aber jetzt noch nicht, er hatte noch so viele Aufgaben zu erfüllen!
Alexanders Gesicht war versteinert. Einen Augenblick lang schien ihm der Atem zu stocken. Dann lächelte er fein.
»Etwas anderes habe ich von dem Prior, den ich seinerzeit in San Marco eingeführt habe, auch nicht erwartet. Aber er ist zu weit gegangen. Savonarola hat sich aus dem Schoß unserer Kirche so sehr entfernt, dass er eine Gefahr für die gesamte Christenheit geworden ist! Es bleibt dabei: Er ist exkommuniziert, und jeder, der weiterhin seine Predigten besucht, wird ebenfalls exkommuniziert. Er sollte unsere Macht nicht unterschätzen! Unser päpstlicher Arm reicht sehr weit. Wir können die ganze Stadt Florenz aus der Kirche ausschließen. Das hat übrigens auch Folgen für Euren Handel«, setzte er boshaft hinzu. »Diese Aussicht wird viele davon abhalten, dem Prediger weiter nachzulaufen.«
»Euer Seligkeit weiß nicht, wie die Lage in Florenz tatsächlich ist. Bei uns wütet der schwarze Tod. Girolamo Savonarola hat das Volk gelehrt, dass es die Strafe für die Sünden ist, die begangen wurden!«
»Es kann genauso gut die Strafe Gottes dafür sein, dass es sich von der wahren Lehre abgekehrt hat«, wandte der Papst ein. Domenian schwankte. Es war, als tue sich einen Herzschlag lang der Boden unter ihm auf. Wie, wenn der Papst recht hätte? Du bist ein Zauderer, ein Hälmchen im Wind, schalt er sich, du musst zu deinem Herrn halten, komme, was da wolle!
»Ist das Euer letztes Wort, Euer Seligkeit?« fragte er.
»Das ist es. Wenn er nicht zu mir kommt und sich zu mir bekennt, werden wir ihn vernichten.«
Domenian erschrak. Hatte nicht Savonarola seinen Tod vorausgesehen? Wie lange würde es noch dauern, bis er ergriffen und gesteinigt werden würde?
|120| »Ich werde ihn bitten, alles noch einmal in Ruhe zu überdenken und sich mit Euer Seligkeit zu versöhnen«, versprach Domenian. Aber er wusste, dass Savonarola nicht bereit sein würde, einzulenken. Alexander nickte ihm huldvoll zu. Zum Abschied küsste Domenian noch einmal den Ring und machte sich bereit zum Gehen.
»Wartet!«, rief ihn Alexander zurück. »Sagt Eurem Herrn, dass er die Absolution erhält, wenn er mir einen Brief zukommen lässt, in dem er Reue zeigt.«
»Ich werde es ausrichten, Euer Seligkeit.«
Domenian drehte sich um und ging zur Tür hinaus, die Gänge und Hallen entlang, bis er an den Wachen vorbei wieder im Freien stand. Er atmete schwer. Mit dieser Botschaft würde er den Zorn Savonarolas auf sich ziehen. Es war glühend heiß und stickig, der Himmel hatte eine bleigraue Farbe angenommen. Über den Dächern der Stadt braute sich ein Gewitter zusammen. Wie ein Sturmwind wird der Zorn des Papstes über uns kommen, dachte Domenian. Seine Hände zitterten. Ziellos lief er durch die Gassen und Straßen Roms. Herabgefallene Blätter wirbelten auf, einzelne Blitze zuckten über den Himmel, gefolgt von Donnergrollen. Domenian hörte und sah nichts davon. Weiter lief er und weiter, bis er am Ufer des Tiber stand. Das graugrüne Wasser schäumte, Enten und Blässhühner versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Der Regen prasselte nieder, doch Domenian spürte die Nässe nicht. Sein Blick ging in die Ferne, zu den Hügeln, als suche er dort nach einer
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