Die Hure Und Der Moench
Gebäuden vorüber, für deren Schönheit er kein Auge hatte. Er trachtete danach, eine Herberge zu finden und seinen Auftrag in Rom zu erfüllen. Nur die Dirnen fielen ihm ins Auge, stark geschminkt, mit tiefen Ausschnitten, die mehr als den Ansatz ihres Busens sehen ließen, und mit den
Zoccali
, den hohen Absätzen, die sie herumstaksen ließen wie Störche auf der Wiese. Ihm wurde geradezu übel bei ihrem Anblick. Doch gleichzeitig fühlte er sich erregt. Mussten sie sich denn immer in der Nähe der Kirchen herumtreiben? Vor dem Dom standen sie und schäkerten mit den Männern, selbst mit solchen in schwarzer Tracht. Schämen sollten sie sich alle miteinander!
Domenian wurde länger aufgehalten als erwartet, da er am Portal des Domes auf einen Florentiner Kaufmann stieß, dem er schon oft die Beichte abgenommen hatte. Sie teilten die gleiche Einstellung, was den Verfall der Sitten betraf.
»So etwas gibt es in Florenz nicht mehr«, schimpfte der Kaufmann beim Anblick der Mädchen. »Gott sei Dank haben wir Savonarola und die
Fanciulli,
die über unsere Stadt wachen.«
»Was führt dich nach Siena?«, wollte Domenian wissen.
»Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen«, entgegnete der Kaufmann und senkte die Stimme.
»So wichtig wie die anderen Dinge, die du mir immer erzählst?«, fragte Domenian dagegen. »Geht es um sündige Dinge?«
»Ja, und die Buße dafür werde ich so willig auf mich nehmen wie immer!«
|117| »Vergiss aber nicht«, erinnerte Domenian ihn in scharfem Ton, »dass ich kein eigenmächtiges Handeln dulde, weder bei dir noch bei anderen! Auch ein Übermaß an Bußfertigkeit ist eitel!«
Der Kaufmann zuckte zusammen. »Habe ich nicht immer bloß getan, was du mir auferlegt hast?«, fragte er gekränkt. »Ich bin der Einzige, der eure Aufgabe so ernst nimmt wie du selbst!«
»Bisher schon, aber ich traue dir nicht. Es war nicht vereinbart, dass du nach Siena kommst!«
»Wenn du erfährst, was ich dir mitzuteilen habe, wirst du froh sein«, gab der Kaufmann zurück. »Ich sage ja, wenn die Katze aus dem Hause ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch …«
Domenian wurde ungeduldig. »Jetzt sag schon, was du mir Wichtiges mitzuteilen hast!«
Der Kaufmann blickte sich nach allen Seiten um. Keiner der Menschen, die vorübergingen, beachtete die beiden. Er brachte seinen Mund nahe an das Ohr Domenians und flüsterte ihm etwas zu. Domenian stieß einen heiseren Laut aus.
»Das«, brachte er zwischen den Zähnen hervor, »ist ein solcher Frevel, dass ich die Bestrafung dafür selber in die Wege leiten werde! Und du«, er sah dem Kaufmann tief in die Augen, »wirst jetzt nach Florenz zurückkehren. Ich erwarte dich nächste Woche zur Beichte im Dom.«
In der Herberge wimmelte es von Pilgern, Handwerkern und Geistlichen, die wie Domenian als Sendboten unterwegs waren. Wenigstens schliefen Männer und Frauen in getrennten Räumen. Bevor Domenian sich zur Ruhe begab, ging er noch einmal in den Dom mit seinen hohen, gestreiften Säulen und geißelte sich heimlich in einer Nische, bis die Haut in Fetzen hing. Danach war er erleichtert, auch wenn es sehr schmerzte. In der Herberge hatte er Mühe, sein Hemd auszuziehen, weil es mit dem Blut auf seinem Rücken verklebt war. Er musste sein Stöhnen unterdrücken, um peinlichen Fragen anderer Gäste auszuweichen. Aber sein Leib und seine Seele waren geläutert, wenigstens für diesen Tag. Zum Schlafen legte er sich auf den Bauch.
|118| Am nächsten Morgen eilte er weiter, fort aus dieser sündigen Stadt. Wie weit waren die Sieneser Bürger von dem Gottesstaat entfernt, der in Florenz herrschte! Aber was würde ihn in Rom erwarten? Er ritt durch Kastanienwälder, über Berge und durch Täler, durchreiste die ›metallischen Hügel‹, in denen Erz abgebaut wurde.
Er musste lange warten, bis er bei Papst Alexander VI. vorgelassen wurde. Erst am dritten Tag gewährte man ihm eine Audienz. Domenian war überwältigt von dem Vatikan mit seinen riesigen Säulen und dem weiten Platz. Zwei Männer in roten Röcken gewährten ihm Einlass und führten ihn zum Audienzzimmer des Papstes. Es war edel eingerichtet mit Deckengemälden, Rundbildern und Arabesken, verzierten Truhen, Bücherschränken und samtroten Tapeten. Eine Kerze brannte. Domenian schwoll die Ader am Hals. Hier also residierte das Oberhaupt der Christenheit, Papst Alexander VI.! Domenian wusste, wessen ihn Savonarola und viele andere bezichtigten: eines ausschweifenden Lebenswandels, der Hurerei,
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