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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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gottesfürchtige Frau, die mich und die anderen aufgenommen hat, um uns vor der Pest zu bewahren. Nein, es musste ein Unbekannter sein, dessen Tücke Angelinas Vorstellungsvermögen überstieg. Welch ein Wesen war zu so etwas fähig?
     
    Am nächsten Morgen nahm die kleine Gruppe bedrückt das Frühstück ein. Matteos Platz war leer. Der See schimmerte immer noch, die Hügel waren grün, die Vögel zwitscherten, und die Fischer hatten sich schon weit hinaus auf den See begeben, aber Angelina sah alles wie durch einen Schleier. Die Welt war grau geworden, nichts lebte mehr richtig. Auch die anderen sahen aus, als hätten sie nicht viel geschlafen. Nur die Kinder plapperten wie immer, weil sie den Tod in seinem Ausmaß nicht begreifen konnten.
    Ein kleiner Mann im Habit eines Pfarrers näherte sich dem Haus, vor dem sie an einem Tisch beisammensaßen. Er machte gar keine Anstände, sich vorzustellen, sondern sagte nur: »Der Herr sei mit Euch und mit dem Toten. Der Leichnam muss noch heute unter die |124| Erde.« Er schlug das Kreuz vor der Brust. »Kommt auf den Friedhof, es ist schon alles vorbereitet.« So schnell ging das? Eleonore begann laut zu schluchzen. Francesco legte den Arm um ihre Schulter und tröstete sie. Angelina spürte einen Stich. Aber jetzt war nicht die Zeit, solchen Gefühlen nachzugeben. Lucas wies die Diener an, den Hausherrn für die Beerdigung herzurichten. Wenig später wurde er, mit seinem besten Sonntagsgewand angetan, auf einen Wagen geladen. Die kleine Gruppe von Trauernden begleitete ihn zum Friedhof des Dorfes.
    Eine Totenglocke bimmelte, als der Leichnam in einen Holzsarg gebettet und dieser an Seilen in die Grube hinuntergelassen wurde. Der Pfarrer sprach von der Sündigkeit der Menschen und der Gerechtigkeit Gottes, die denen, die von ihm abfallen, seine Strafe zukommen lasse. Aber Matteo war doch gar nicht sündig gewesen! Wofür hatte Gott ihn, hatte er sie alle so grausam bestraft? Der Pfarrer stimmte ein Lied an, in das sie einfielen. Er segnete den Toten, hieß sie dann zurückzutreten. Zwei Totengräber kamen heran, schaufelten Kalk in das Grab und begannen es zuzuschütten. Eleonore führte den traurigen Zug an, der sich wieder zum Haus zurück begab. Keiner sprach ein Wort. Wahrscheinlich musste jeder mit seinem Kummer erst einmal allein sein. Selbst die Kinder hatten jetzt die Tragweite des Unglücks begriffen und weinten leise vor sich hin.
    Angelina hielt es nicht im Haus. Sie ging zum See hinüber, folgte einem kleinen Pfad, der sich unweit des Ufers zwischen Birken und Weiden dahinschlängelte. Jetzt, um die Mittagszeit, war es still hier. Dumpf lastete die Hitze über See, Wiesen und Bergen. Nur manchmal sprang ein Fisch mit schnappendem Geräusch aus dem Wasser. Libellen tanzten über dem funkelnden Nass. Für Angelina war das Leben vorüber. Alles, was ihr vorher lebenswert gewesen war, hatte sich in sein Gegenteil verkehrt. Sie war hier eingeschlossen, zusammen mit Menschen, die ihr im Grunde ihres Herzens fremd waren. Francesco hatte alle Hände voll zu tun, seine Cousine zu beruhigen, Lucas und Sonia waren mit sich selbst beschäftigt, und die |125| Kinder wurden von den Dienstboten beschäftigt. Angelina fühlte sich vollkommen überflüssig.
    Eitel erschien ihr nun das Bild, das Francesco von ihr angefangen hatte. Ob er es je zu Ende bringen würde? Aber wer malte schon, nachdem ein solcher Trauerfall die Familie heimgesucht hatte? Keiner der Nachbarn hatte sich bei der Beerdigung blicken lassen, noch war einer von ihnen gekommen, um der Familie beizustehen oder sein Mitgefühl auszudrücken. Es war, als hätten sie die Pest oder wären aussätzig geworden. Alles Geld, das Matteo besessen hatte, nützte ihnen nichts mehr. Sie waren abgeschlossen vom Rest der Welt und würden für immer an diesem Ort leben müssen, eingesperrt und ohne Freude.
    Mit Schaudern dachte sie an den letzten Abend mit Matteo. Er hatte sich ihr in unziemlicher Weise genähert. Hatte er deswegen sterben müssen? Aber wer, um Himmels willen, sollte so etwas getan haben? Die Blicke fielen ihr ein, die Francesco und Eleonore immer wieder getauscht hatten. Sollten die beiden unter einer Decke stecken? Hatte Eleonore ihren Mann umbringen lassen, um sein Geld zu erben und sich mit Francesco ein schönes Leben zu machen? Das war nicht auszudenken und machte Angelina so unglücklich, dass sie den Gedanken sofort wieder zur Seite schob.
     
    Die Tage vergingen quälend langsam. Angelina erlebte

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