Die Hure Und Der Moench
doch Euer Porträt fertigstellen.«
Davon hatte er ihr nichts gesagt. Und wieso sagte er nicht mehr ›du‹ zu ihr? Botticelli fragte:
»Wo hast du es denn versteckt, Francesco? Ich habe es schon lange nicht mehr gesehen. Ist die Darstellung vielleicht so sündhaft, dass du es vor den Augen der Welt, insbesondere der Kirche, verbergen musst?«
|190| Francescos Gesicht überzog eine leichte Röte.
»Ich habe es an einen sicheren Ort gebracht, weil ich wegen des Bildes schon einmal fast totgeschlagen wurde, wie du weißt, Sandro!«
»Nun gut, sei’s drum«, antwortete der Meister. »Aber bedenkt, Signorina Angelina: Euer Maler ist ein Anhänger Savonarolas. Er würde niemals eine Tat begehen oder ein Bild malen, das ihn sündig macht und das heißt, von Gott trennt. Und nun alle wieder an die Arbeit!«
Francesco fasste nach Angelinas Hand und zog sie mit sich. Über die steile Treppe gelangten sie nach oben in Francescos Zimmer. Angelina löste ihre Hand aus der Francescos und blieb abwartend an der Tür stehen.
»Komm doch«, sagte er, trat hinter sie und schob sie sanft in den Raum. Was wollte er von ihr? Wollte er sie wieder in eine Lage bringen wie gestern? Francesco schüttelte den Kopf, als habe er ihre Gedanken erraten.
»Nein, es ist nicht, was du denkst, Angelina. Ich möchte dir das Bild zeigen, es ist so gut wie fertig.«
Er stellte das Paket auf den Boden, ging in einen angrenzenden Raum und kam mit einem flachen Gegenstand zurück, der mit einem Tuch verhüllt war.
»Setz dich, bitte«, meinte er und zog einen Sessel heran. Angelina tat, wie ihr geheißen. Francesco holte eine Staffelei, setzte den verhüllten Gegenstand darauf und blickte Angelina gespannt ins Gesicht. Langsam zog er das Tuch von dem Bild. Angelina erstarrte. Ihr eigenes Antlitz schaute ihr entgegen, und es war ihr, als sehe sie in einen Spiegel, so lebensecht war es gemalt. Auch das Kleid war wundervoll dargestellt, mit jeder Falte und Rüsche, in genau den Farben, die Angelina beim Anfertigen so entzückt hatten. Doch an der Stelle, wo anfangs der Schal ihren Busenansatz verhüllte, war jetzt – nichts! Ihre Brust wölbte sich dem Betrachter rosig und verlockend entgegen.
Die Schamröte stieg Angelina ins Gesicht. Wie hatte er sie nur so täuschen können! Francesco hatte versprochen, ihr Porträt so zu |191| gestalten, dass es auf keinen Fall aufreizend oder sündig wirkte. Was wäre, wenn ihre Eltern es zu sehen bekommen würden? Oder gar Savonarola, die Florentiner Bevölkerung? Auf der anderen Seite war Francesco dieser fein modellierte Ansatz des Busens besonders gut gelungen. Ob Francesco sie begehrt hatte, während er das malte? Ob er sie jetzt noch begehrte, da das Bild vor seiner Vollendung stand? Etwas in ihr wurde weich, bröckelte ab wie die Eiskruste eines Teiches im Frühling. Aber nein, die Schande wäre zu groß, wenn irgendjemand dieses Bild erblicken würde. Von ihren Eltern verstoßen und wahrscheinlich schon als Geliebte des Malers verschrien, konnte sie sich damit nur noch mehr ins Unglück stürzen. Angelina war sich bewusst, wie rot sie geworden war.
»Warum hast du das getan, Francesco?«, fragte sie fast tonlos.
»Es ist meine Kunst, ich musste dich so malen, wie Gott dich geschaffen hat, zur Freude der Welt und insbesondere zur Freude für mich!«
»Du hattest mir aber versprochen …«
»Angelina, ich habe gemerkt, dass die Ansicht Savonarolas falsch ist. Seine Theorien über den Gottesstaat und die Verderbtheit der Menschen und der Päpste mögen richtig sein, aber von der Kunst hat er nicht den geringsten Begriff! Die schönsten Werke hat er einsammeln lassen und den Flammen übergeben – und warte nur noch eine Weile, so wird das Gleiche noch einmal geschehen.«
»Ich werde nicht warten, ich schäme mich so, dass ich dieses Zimmer auf der Stelle verlassen muss!«
»Bleib doch!«, sagte er und machte einen Schritt auf sie zu. »Weißt du nicht, dass ich dich liebe, schon immer geliebt habe, seit ich dich das erste Mal sah, als du mit deinen Eltern in Botticellis Werkstatt erschienst?«
»Ich liebe dich auch!«, stieß Angelina hervor. »Aber es darf nicht sein. Ich gehe jetzt und werde dich nie wiedersehen.«
Sie drehte sich um und lief zur Tür hinaus. Nie würde sie den Ausdruck des Schmerzes vergessen, der in Francescos Augen getreten |192| war. Angelina nahm zwei Stufen auf einmal, um schneller die Treppe hinunterzukommen, rannte durch die Werkstatt, von den verblüfften Blicken
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