Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
drehte sie ihm den Rücken zu.
»So war das nicht gemeint. Es ist nur ein sehr kostbares Geschenk für eine Magd.«
»Das ist mir egal, Laurenz. Für mich ist es einfach nur hübsch anzusehen.«
Lena zog einen Leinenbeutel aus ihrem Dienstkleid. »Ha! Sieh nur, hier ist das Gift von Marie.« Sie hielt es Laurenz hin, und sofort war der kleine Streit vergessen.
»Wir sollten es nicht behalten. Wenn man es bei uns findet, wird man uns hinrichten! Ich vergrabe es vorerst hinter dem Haus. Dann wissen wir, wo es ist, und können es holen, sollten wir es brauchen.«
Laurenz machte sich ans Werk, während Lena eine Gemüsesuppe aus den Zutaten kochte, die er ebenfalls mitgebracht hatte. Beim Essen überlegten sie gemeinsam, wie es weitergehen sollte, doch an diesem Abend fanden sie keine Lösung.
Erst am nächsten Tag wusste Lena, was sie tun wollte. Als Laurenz nach seinem Dienst heimkehrte, war ihr Entschluss gefasst, doch sie brauchte seine Hilfe.
»Laurenz, du sagtest, du kannst mich aus der Stadt herausbringen.«
»Ja, aber wohin willst du denn? Hier bist du vorerst sicher.«
»Ich habe beschlossen, Maries Mörder zu suchen. Er wird mich zu meinem Kind bringen.«
Laurenz wurde laut. »Du willst was? Da draußen herrscht zufällig gerade Krieg. Wir wissen nicht einmal, bis wo die feindlichen Truppen bereits vorgedrungen sind. Wenn der Mörder bei den Hoyanern ist, wird er in der Schlacht oder auf dem Weg dorthin sein.«
»Bitte sei nicht zornig mit mir.« Sie wollte ihre Hand auf seinen Arm legen, doch er zog ihn ärgerlich weg.
»Laurenz, er wird nicht zur Schlacht gehen, die ist nämlich an der Aller. Ich will zu Duckels Land, denn ich bin sicher, dass er dort ist.«
»Lena, das ist närrisch. Dann kannst du dich gleich in die Weser stürzen. Kein Mensch weiß, wie das alles enden wird, wie schlimm es dort ist und was passiert, wenn wir den Krieg verlieren.«
»Ich weiß, aber ich werde nie aufhören, meine Tochter zu suchen, und ich bin es Marie schuldig. Nichts und niemand wird mich davon abhalten.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und Laurenz’ Miene gefror.
»Bitte, ganz wie du willst.« Seine Worte waren so kalt, dass Lena ein Schauer über den Rücken lief.
»Sei nicht zornig auf mich, das ertrage ich nicht. Versteh doch, ich kann nichts anderes tun.«
»Oh doch, das kannst du. Und zur Abwechslung mal darauf vertrauen, dass wir unsere Arbeit machen.«
»Was wollt ihr denn unternehmen?« Lena sprang auf und funkelte ihn wütend an. »Erzähle mir nicht, dass ihr die Ratsherrin verhaftet, und selbst wenn, was nie geschehen wird, woher wissen wir, ob sie etwas von Veronika weiß? Aber mit der Verhaftung würde der Mann gewarnt sein. Dann sehe ich meine Kleine nie wieder. Natürlich kann man einen Boten hinter Mindermann herschicken, aber ich bezweifle, dass man ihn einfach so findet. Und was soll der Bote übermitteln? Wo wollt ihr den Mörder suchen, und vor allem, wie wollt ihr es ihm beweisen? Das Wort einer Hure und Diebin ist nichts wert. Nein Laurenz, hier kann ich nichts machen.«
»Ich könnte gehen.«
»Nein! Das lasse ich nicht zu!«
Er kratze sich verlegen am Kopf und ließ sich schwer auf den einzigen Hocker im Raum fallen. »So stur!« Er sah sie an, und seine Züge wurden etwas weicher. »Dann lass mich dich wenigstens begleiten.«
»Mich begleiten?« Lena war gerührt von seinem Vorschlag, hielt dies aber für genauso unvorsichtig von ihm, wie er es ihr vorwarf.
»Ja, nur so kann ich dich wenigstens ein bisschen beschützen, und außerdem wüsste ich, wo du grade bist, und würde nicht verrückt vor Sorge.«
»Laurenz, du hast gerade gesagt, dass es gefährlich ist. Das gilt auch für dich.«
»Ich weiß«, unterbrach er sie. »Aber das ist meine Bedingung, sonst kette ich dich hier an.« Seine Augen wurden zu Schlitzen, aber ein unterdrücktes Grinsen zuckte in seinen Mundwinkeln. »Und glaub mir, ich mache meine Drohung wahr.«
Mit krausgezogener Stirn betrachtete sie ihn und wusste, dass er meinte, was er sagte.
»Also gut.« Sie lächelte ihn dankbar an. »Wann brechen wir auf?«
Kapitel 11
Nachdem sie in der Dunkelheit ungesehen aus Bremen entwischt waren, beschlossen sie, die Nacht in Maries Hütte zu verbringen.
Die Erinnerungen trafen Lena mit voller Wucht, als sie das Häuschen betraten. Sowohl Marie als auch Veronika waren allgegenwärtig, und auch die Gerüche verband sie mit den beiden, die sie so schmerzlich vermisste. Kleine Holzspielzeuge lagen
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