Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
war sie schon mit Mindermanns gewesen. Eine Fackel machte ihr Talglicht überflüssig, und sie löschte ihr Licht. Lena betete, dass das Hauptportal offen sein möge, doch sie hatte abermals Pech. Schritte machten ihr klar, dass ihr Verfolger inzwischen auch im Inneren der Kirche sein musste. Hektisch rannte sie ein Stück zurück. Auf der anderen Seite des Kirchenschiffs war eine Tür, durch die die Priester immer zur Messe kamen. Erneut betend, rannte sie darauf zu, drückte die Klinke, und diesmal sprang die Tür glücklicherweise auf.
Ein großer Tisch mit zwei Stühlen dominierte den kleinen Raum, von dem zwei weitere Türen abgingen. Sie nahm die rechte und stand tatsächlich im Freien. Kurz orientierte sie sich, wo sie war, bevor sie sich eng an die Häuser gedrückt auf den Weg zu Laurenz’ Haus machte. Immer wieder sah sie sich um, aber ihr Verfolger war nicht zu sehen oder zu hören.
Unbehelligt erreichte sie schließlich das Haus. Da die Tür verschlossen war, kletterte sie auf der Rückseite durch ein Fenster. Laurenz war nicht da.
Außer Atem ließ sie sich auf das Lager fallen. Ihr Herz schlug noch immer heftig, und bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen. Sie atmete ein paarmal tief durch, bis das Rauschen in ihren Ohren endlich nachließ und ihr Herz sich auch etwas beruhigte. Das war knapp gewesen.
Was sie heute Abend gehört hatte, änderte alles. Nicht Ratsherr Mindermann war der Übeltäter, sondern seine Frau, zusammen mit ihrem Liebhaber. Der hatte Marie ermordet und sicher auch Veronika entführt. Doch wohin hatte er sie gebracht? Lena hatte keine Antwort darauf. Immerhin wusste sie, wo der Mann zu finden sein würde. In Hoya, besser gesagt, bei der Truppe von Hoya.
Obwohl es ein heißer Endsommertag gewesen war, fror Lena. Schnell hatte sie ein kleines Feuer entzündet und etwas zu trinken gefunden. Ein paar Tage konnte sie sich hier sicherlich gut verstecken, aber was dann? Sie musste aus der Stadt heraus. Wenn ihr nichts Besseres einfiel, würde sie zu Frau Margarete gehen und zur Not betteln, damit sie ihr half.
* * *
Am zweiten Morgen stand Laurenz plötzlich am Bett.
»Lena!« Seine Überraschung war nicht zu überhören.
Müde richtete sie sich auf. »Laurenz, der Heiligen Jungfrau sei Dank! Ich dachte schon, ich sehe dich nie wieder.«
»Das Gleiche habe ich von dir gedacht.« Seine Miene wurde einen Moment finster, doch gleich darauf wirkte er erleichtert.
»Entschuldige, dass ich so einfach hier eingebrochen bin, aber ich wusste nicht, wohin.« Lena setzte sich auf und versuchte, ihre wirren Haare etwas glatt zu streichen.
»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich bin froh, dass es dir gut geht. Aber nun sag mir, was passiert ist, man sucht dich überall.« Er zog einen Hocker neben das Bett und setzte sich.
»Das ist eine längere Geschichte. Wieso sucht man mich, und wo warst du die ganze Zeit?«
»Ich wurde zum Dienst vor der Stadt eingeteilt und habe mich so lange bei Marie einquartiert, zumal ich immer noch hoffte, Veronika zu finden und dass du zurückkommst, nachdem du einfach so verschwunden bist. Heute Morgen kam ein Kamerad und erzählte, dass Lena von Riede gesucht wird. Du wärst Magd bei Ratsherrn Mindermann gewesen. Man beschuldigt dich des Diebstahls.«
Lena goss Bier in einen Becher und reichte ihn Laurenz.
»Danke.« Er nahm einen langen Schluck.
»Ich bin wirklich bei den Mindermanns gewesen, aber gestohlen habe ich nichts. Es kam so überraschend, dass mich Ratsherr Mindermann als Mündel annahm, dass ich dir nicht mehr Bescheid geben konnte. Dass ich gleich dableiben sollte, konnte ich nicht wissen, und anschließend habe ich dich nie angetroffen, um dir zu sagen, wo ich bin.« Lena stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Nun ja, das ist auch kein Wunder, wenn du doch bei Marie im Haus warst. Verzeihst du mir?« Sie legte ihren Kopf etwas schräg und lächelte.
Laurenz wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und nickte, sagte aber nichts.
»Zuerst dachte ich, dass der Ratsherr Maries Mörder ist. Ich sah sogar, wie er ein Pulver, das ich für Wolfswurz hielt, in einen Becher für seine Frau gab. Als ich dann noch Maries Tontopf fand, war für mich alles klar, und ich überlegte, was ich tun sollte. Das Gift habe ich ausgetauscht. Dann kam der Krieg. Wie du sicher weißt, ist Mindermann mit den Soldaten dem Grafen entgegengezogen.«
Laurenz nahm einen weiteren Schluck, dann zog er seine Uniform aus, hängte sie über dem
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