Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
überlegen sein, und du könntest fallen. Warum bist du nur auf Hoyas Seite gewechselt?«
»Weil Hoya diesen Krieg gewinnen wird.«
»Was macht dich so sicher?«
Er lachte leise. »Harre einfach aus, dann wirst du es sehen. Und um unser Problem kümmere ich mich schon.«
»Nur dass er fort ist und wir nicht wissen, wann er zurückkommt. Aber vielleicht haben wir ja ein wenig Glück, und er fällt in der Schlacht.«
Die kalten Worte der Ratsherrin verschlugen Lena die Sprache.
»Du machst dir einfach zu viele unnötige Sorgen. Vertrau mir einfach, es ist für alles gesorgt.«
»Oh, verrate mir, wie.«
»Nein, besser du weißt es nicht.«
Erschrocken keuchte Lena auf und biss sich sofort verärgert auf die Lippen. Doch die beiden hatten sie gehört und sahen augenblicklich in ihre Richtung. Lena duckte sich und lugte ängstlich durch die Büsche. Der Mann erhob sich und zog sein Schwert. Langsam kam er näher.
»Da ist jemand. Greif ihn dir!«, erklang die Stimme der Ratsherrin.
»Wer auch immer sich da versteckt, gib dich zu erkennen, dann verschone ich dich«, sagte darauf der Mann.
Lena dachte nicht daran, den Worten Glauben zu schenken. Mit einem Satz war sie an der Küchentür und schlüpfte hindurch. Sie musste fliehen, denn sie wusste, dass der Mann ihr folgen würde. Sie hatte zu viel gehört. Schnell war sie die Treppe hinauf, als sie auch schon hinter sich die Tür klappen hörte. Oben rannte sie an der erstaunten Rosa vorbei und floh zur Vordertür hinaus.
Laurenz’ Haus war das Erste, was ihr einfiel. Wenn sie sich durch die kleinen Gassen schlug, konnte sie den Mann vielleicht abhängen. Sie ließ den Marktplatz hinter sich, hetzte um die Ecke eines Hauses und drückte sich mit pochendem Herzen und nach Luft schnappend gegen die Wand. Deutlich hörte sie die schnellen Schritte vom Markt. Sie musste weiter.
Ihr Weg durch die finsteren Gassen von Bremen führte sie zur Rückseite des Doms, wo die Geistlichen lebten. Sie lief, bis die Eingangstür zum Kloster in Sichtweite kam. Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass sie offenbar einen Vorsprung hatte, der Mann war noch nicht zu sehen. Sie hoffte, dass er sie auf der anderen Seite des Marktplatzes suchte. Das würde ihr etwas Zeit geben. Entschlossen griff sie zur Türklinke. Sie ließ sich nicht hinunterdrücken. Panisch sah sie sich um, konnte aber in der Schwärze nichts sehen. Ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte, waren plötzlich Schritte zu hören. Sie durfte nicht hierbleiben.
»Ich weiß, wo du steckst«, hörte sie den Mann ganz in der Nähe sagen. Er war viel näher, als sie gehofft hatte.
Lena saß in der Falle, denn das hier war eine Sackgasse. Ihr Blick streifte die Mauer, die sich dunkel vom Nachthimmel abzeichnete. Vielleicht konnte sie hinüber, wenn sie einen Baum oder Busch fand, an dem sie hochklettern konnte. Und tatsächlich, einer erschien ihr hoch genug. Ohne lange nachzudenken, schwang sich Lena mit gerafftem Rock auf den untersten Ast, hangelte sich hoch und gelangte mit Mühe auf die Mauer. Keine Sekunde zu früh, denn schon sah sie den Schatten ihres Verfolgers unter sich.
Der Kirchenhof war noch dunkler, sodass sie nicht sehen konnte, was unter ihr war, aber sie hatte keine Wahl und sprang. Als sie aufkam, knickte sie mit dem Fuß um und fluchte leise. Sie konnte nur hoffen, dass der Mann ihr nicht hierherfolgen würde. Der Mond war inzwischen weiter gewandert, und die hohen Mauern verhinderten, dass sein Licht in den Hof fiel. Lena brauchte einen Moment, ehe sie etwas sehen konnte. Ihr Verfolger rüttelte leise an der Tür, drückte die Klinke hinunter. Offenbar hatte er doch keine Skrupel, ihr auch hier nachzustellen.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie sah etwas Helles an der Hinterseite des Doms aufblitzen, einen Türknauf. Wenn diese Tür ebenfalls verschlossen war, gab es kein Entkommen mehr. So schnell ihr schmerzender Fuß es zuließ, machte sie sich auf den Weg, stolperte durch die Dunkelheit und erreichte keuchend die Tür, welche tatsächlich aufsprang. Lena atmete erleichtert ein und schlüpfte hindurch.
Im Inneren umgab sie absolute Schwärze, doch zum Glück hatte sie immer ein Talglicht und Feuersteine in der Tasche. Das Licht flackerte auf. Sie befand sich auf einem Gang, von dem eine Treppe nach oben führte. Dort schliefen sicherlich die Geistlichen. Sie humpelte vorsichtig weiter. Plötzlich öffnete der Gang sich und mündete im Kircheninneren.
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