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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Apostolischen Kammer, die er heute zum ersten Mal betrat, waren jedenfalls höllisch lang. Links und
rechts der Korridore hingen gewaltige Ungetüme von Gemälden: Wunderheilung neben Schlacht, Taufe neben Märtyrertod, Himmelfahrt neben Teufelsgericht, allesamt beliebte Szenen mittelmäßiger Maler. Unterbrochen wurde die Galerie von fast deckenhohen Türen, die, wenn sie sich öffneten, wichtig aussehende Bedienstete ausspuckten oder sich einverleibten, fleißige Bienen mit Schriftrollen, Urkunden, Mappen, Protokollen und Briefen. Geistliche Soutanen und weltliche Gewänder von Notaren hielten sich hierbei die Waage. Die Geschäftigkeit war groß – und nach allem, was Sandro über die Apostolische Kammer wusste, war sie auch nötig. Hier liefen alle Zahlungen an die Römische Kirche aus der ganzen Welt zusammen.
    Da waren zunächst einmal die Einnahmen aus dem Landbesitz des Vatikanstaates, der sich von Terracina im Süden bis Ferrara im Norden erstreckte, vom Tyrrhenischen bis zum Adriatischen Meer. Hauptsächlich handelte es sich um Pachtzins von Bauern, aber auch die kircheneigenen Webereien, Imkereien, Viehhöfe und dergleichen warfen einen beträchtlichen Gewinn ab. Nicht zu vergessen die Steuern der Einwohner und die Tribute der Städte. Dennoch war diese Quelle, die sich aus dem Landbesitz speiste, im Vergleich zu anderen Quellen unbedeutend.
    Weitaus lukrativer war da schon der Lehnszins, den die Herrscher der katholischen Welt dem Papst dafür zahlten, dass sie herrschen durften. Bei Streitigkeiten blieben die Zahlungen schon mal aus, was in früheren Zeiten meistens dazu geführt hatte, dass der Heilige Vater den Bannstrahl auspackte, heutzutage jedoch oft genug nur ohnmächtig zur Kenntnis genommen werden konnte, da besagter Strahl in seiner Wirkkraft gemindert war. Durch den Wechsel Skandinaviens und Englands ins Lager der Protestanten waren überdies große und dauerhafte Einnahmeausfälle entstanden, und schon aus diesem
Grund wünschte man sich nichts sehnlicher als die Rückkehr dieser Nationen in den Schoß der wahren Kirche. Dasselbe galt für den Peterspfennig, den jeder Bürger eines jeden katholischen Landes zu zahlen hatte und der in den Diözesen eingetrieben und von dort nach Rom geschickt wurde.
    Besonders kräftig sprudelten stets die Annaten, denn sie blieben von politischen Einflüssen weitgehend unberührt, waren also krisensicher. Der Tod, sonst wenig Anlass für Hochstimmung, war es, der dabei für anhaltend hohe Einnahmen sorgte. Es handelte sich bei den Annaten um Gebühren, die jeder Bischof, jeder Abt und fast jeder Pfarrer in unterschiedlicher Höhe zu zahlen hatte, sobald seine Ernennung erfolgte. Starb ein Pfarrer oder hoher Geistlicher, gab es ein neues Amt zu besetzen, und die Apostolische Kammer freute sich. Zwar waren wegen der Abspaltung der abtrünnigen Nationen auch hier Verluste zu verzeichnen, doch diese wurden durch die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Pfarreien und Diözesen in der Neuen Welt mehr als wettgemacht. Und weil die Gebühren für Ernennungen so einträglich waren, erhob man ähnliche Gebühren für die Bestätigungen der Ernennungen.
    Es war alles in allem ein mächtiger Geldstrom, aber er speiste sich aus vielen einzelnen Zuflüssen, die erst in der Apostolischen Kammer gesammelt, zusammengefügt und neu verteilt wurden. Die camera apostolica war das Bewässerungssystem der Kirche.
    Sandro hatte sich in seiner Anfangszeit als Visitator in Rom ein wenig mit der Apostolischen Kammer beschäftigt, wie auch mit anderen päpstlichen Verwaltungen, und zwar weniger aus einem Interesse heraus, sondern weil er schlicht nicht gewusst hatte, womit er sich sonst die Zeit vertreiben sollte. Auch über die camera secreta , die Geheimkammer, hatte er damals versucht, etwas in Erfahrung zu bringen, aber wie der Name schon sagte, hatte sich das als unmöglich herausgestellt.
Die camera secreta war die Schatulle – die Schatzkammer, der private Staatshaushalt – des Heiligen Vaters.
    Kardinal Quirini empfing Sandro wie einen hohen Staatsgast: mit ausgestrecktem Arm und einem Lächeln, als werde ein lange gehegter Wunsch wahr. Er war von beeindruckender Größe und Statur, und unter seinem Pileolus, dem kardinalsroten Käppchen, quollen Locken grauen Haares hervor. Sandro verbeugte sich höflich.
    »Bruder Carissimi! Endlich lerne ich Euch kennen. Ich habe schon viel über Euch und Eure Taten gehört.«
    »Über mich und meine Taten: Das hört sich ja fast an, als

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