Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
ausgelassen.
»Uns entgeht nichts, nicht ein einziger ausstehender Denar«, fuhr er fort. »Keine Ernennungsurkunde für einen Bischof verlässt Rom, ohne dass meine Kammer den fälligen Annatus des neuen Bischofs registriert hat. Ihr werdet keine Behörde der Kirchenverwaltung finden, die emsiger arbeitet als meine. Ich komme deshalb nicht umhin, es Euch ein bisschen übel zu nehmen, dass Ihr mich erst jetzt mit Eurem Interesse beehrt.«
Wieder lachte er, diesmal um durchblicken zu lassen, dass
er es nicht allzu ernst gemeint hatte. Er musste jedoch einen bestimmten Ausdruck in Sandros Gesicht bemerkt haben, der ihn veranlasste, den Vaterstolz auf seine Apostolische Kammer endlich beiseite zu lassen.
»Aber ich nehme an, das ist nicht der Grund Eures Besuchs«, sagte er.
»Leider«, bestätigte Sandro. »Ich bin hier, um Euch eine schlechte Nachricht zu überbringen, Eminenz. Es handelt sich um Maddalena Nera.«
Sandro hatte ganz bewusst diese Formulierung gewählt, um Quirinis erste Reaktion zu beobachten. Sie war bemerkenswert.
»Maddalena? Was ist mit ihr?«
Er hätte leugnen können, sie zu kennen, doch er tat es nicht. Entweder ahnte beziehungsweise wusste er, dass es eine Kundenliste mit seinem Namen darauf gab, oder er sah schlicht keinen Grund dafür, gegenüber einem einfachen Jesuiten die Beziehung zu einer stadtbekannten Konkubine abzustreiten.
»Ich bedaure, Eminenz, sie ist tot.«
Quirinis Miene versteinerte sich. Jeder Übermut schwand binnen eines Lidschlages. Nach einer Weile des Schweigens erhob er sich und ging zum Fenster, wo ihn die Mittagssonne voll erfasste und seine rote Soutane zum Leuchten brachte, wie in Blut getaucht. Mit der rechten Hand stützte er sich am Fenster ab. Die Linke ruhte auf seinem unteren Rücken, und Sandro stellte erst jetzt fest, dass sie dort wohl schon ruhte, seit er diesen Raum betreten hatte. Ansonsten wäre ihm früher aufgefallen, dass sie teilweise verbunden war. Der Daumen war bis zum Gelenk umwickelt, die übrige Hand schien unverletzt.
»Wie – wie ist das passiert?«, fragte Quirini.
Sandro blickte von der verbundenen Hand in Quirinis Augen. »Sie wurde ermordet, Eminenz. Man hat sie geprügelt
und zusätzlich niedergestochen. Vielleicht gab es einen Kampf, ich weiß es nicht.«
Sandro fiel ein, dass er gestern vergessen hatte, nach anderen Blutspuren zu suchen. Wie nachlässig von ihm! Seine Unerfahrenheit forderte ihren Tribut.
Quirini setzte sich wieder. Er trank einen großen Schluck Wein, und Sandro fand es interessant, dass er dabei nicht zitterte.
»Ich hatte keine Ahnung, eine solche Erschütterung auszulösen«, sagte Sandro. »Standet Ihr Signorina Nera näher, als man vermuten könnte?«
»Aber nein, so kann man das nicht sagen«, wehrte Quirini ab. »Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
»Von welcher Weile sprechen wir hier?«
Quirini beantwortete die Fragen anstandslos. Er schien zu begreifen, in wessen Auftrag Sandro ermittelte. »Etwa ein Jahr.«
»Und in welchem Verhältnis standet Ihr zu Signorina Nera?«
Quirini lächelte dankbar für die gütige Rücksichtnahme, mit der Sandro das heikle Thema anging. »Ich denke, Ihr wisst, in welchem Verhältnis ich zu ihr stand. Sparen wir uns doch bitte die verlegenen Räusperer und Blicke.«
»Sehr gerne. Ihr habt also mit ihr geschlafen. Mehrmals?«
»Mehrmals«, wiederholte er. »Wir haben uns ungefähr ein halbes Jahr lang in unregelmäßigen Abständen getroffen.«
»Wie viele Denare ungefähr habt Ihr Maddalena bezahlt?«
Die Frage schien Quirini zu überraschen, und er brauchte eine Weile, um unter Einsatz seiner Finger nachzurechnen. Er machte dann eine vage Handbewegung. »Etwa vier- bis fünftausend. Das war für meine Verhältnisse großzügig. Ihr habt sicher schon gehört, dass ich nicht zu den reichsten Kardinälen gehöre.«
Sandro fragte sich, warum Maddalena diese Summe nicht in ihre Liste eingetragen hatte. War sie einfach nur nachlässig gewesen, oder hatte sie einen bestimmten Grund dafür gehabt? Und überhaupt: Wieso stand Quirinis Name auf dieser Liste, wenn er Maddalena zuletzt vor einem Jahr gesehen hatte.
»Waren fehlende Geldmittel vielleicht auch der Grund, weshalb Ihr aufgehört habt, Euch mit ihr zu treffen?«, fragte Sandro.
»Nein, nein. Der Papst machte sie zu seiner Konkubine, also zog ich mich zurück.«
»Verstehe. Das war vor vierzehn Monaten.«
»Wenn Ihr es sagt, Carissimi. Ich habe die Monate nicht gezählt.«
»Hat der
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