Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
Papst sie über Euch kennen gelernt?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung, wo er sie kennen lernte. Ich könnte mir vorstellen, dass Maddalena selbst dafür gesorgt hat, ihm zu begegnen.«
»Liebtet Ihr sie? Oder liebte sie Euch?«
Quirinis Stirn legte sich in Falten. »Wieso fragt Ihr?«
»Verzeiht, Eminenz, aber als ich Euch von ihrem Tod berichtete, entsprach Eure Reaktion nicht gerade der eines Mannes, der sich vor vierzehn Monaten von einer beliebigen Konkubine trennte und sie seither nicht wiedergesehen hat.«
»Ach so, das... Ich war nun einmal sehr gerne mit ihr zusammen. Oh, es gab gewiss schönere Frauen als sie, aber sie hatte dafür so viele andere Eigenschaften, die sie aufregend machten.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel ihre Intelligenz.« Quirini schien Sandros hochgezogene Augenbrauen wahrzunehmen. »Mir ist klar, dass Intelligenz nicht gerade ganz oben auf der Wunschliste derer steht, die sich eine Konkubine nehmen. Aber es ist eben ein Unterschied, ob eine Frau einen feinsinnigen Humor oder den
eines Waschweibs hat. Ob sie begreift, wenn man etwas Intelligentes sagt, oder ob sie nichts anderes beherrscht als das Aufrichten ihrer Brüste. Ich weiß nicht, ob Ihr mich versteht, Carissimi. Ob es Euch ähnlich geht...«
Sandro hielt – zum ersten und einzigen Mal während des Gesprächs – Quirinis Blick nicht stand und senkte die Augen. Wie immer, wenn er an Antonia dachte, sah er sie mitten in einem gotischen, dunklen Raum stehen, in den durch mehrere Öffnungen ein geheimnisvolles, verschiedenfarbiges Licht drang, das Licht des Doms von Trient, in dem er ihr begegnet war. Antonia war eine Frau, die mit Licht Bücher schrieb. Und diese Frau liebte er.
Der Kardinal brach das Schweigen. »Auf mich hatte ihre Klugheit jedenfalls eine starke Wirkung. Und weil ich diese Klugheit so schätzte, nahm ich es Maddalena auch nicht übel, dass ich sie zugunsten des Papstes aufgeben musste. Er konnte ihr wesentlich mehr bieten als ich. Ihre Entscheidung war vernünftig.«
»Und dem Papst habt Ihr auch nicht gegrollt? Immerhin hattet Ihr eine schöne Zeit mit Maddalena, die danach passé war.«
Quirini hob die Hände in einer Geste der Ahnungslosigkeit. »Ich habe nicht verstanden, was ein Mann wie er an einer Frau wie Maddalena fand.« Er senkte seine Stimme. »Ihr wisst, was ich meine: Julius schätzt eher die seichten Vergnügen, die lauten Feste, Gelage, Mummenschanz und solche Dinge. Das war nicht Maddalenas Welt. Aber vielleicht hat er an ihr irgendetwas anderes entdeckt, das ihn ansprach.«
Das war keine Antwort auf Sandros Frage, aber er verzichtete darauf, sie zu wiederholen. Eine ausweichende oder gar keine Antwort zu erhalten, das war meist hilfreicher als eine überzeugend vorgetragene Lüge, die man nicht als solche erkannte.
Sandro holte die zwei Bögen Briefpapier mit dem eingestanzten Kürzel der Apostolischen Kammer hervor und schob sie Quirini über den Tisch.
»Könnt Ihr mir erklären, Eminenz, wie dieses Papier Eure Kammer verlassen konnte?«
Quirinis gelassene Miene veränderte sich schlagartig. Er hätte wohl lieber weiter über seine Beziehung zu Maddalena und deren Beziehung zu Julius gesprochen, weil er über dieses Thema plaudern konnte, ohne befürchten zu müssen, widerlegt zu werden. Zwei Briefbögen der Kammer dagegen waren stark erklärungsbedürftig.
»Wie – wie seid Ihr an dieses Papier gekommen, Carissimi?«
»Wäre es denn leicht für mich, an Papier der Kammer heranzukommen?«
»An normales Papier schon. An dieses nicht. Es ist gestanzt. Dieses hochwertige Papier verwenden wir für Urkunden und dergleichen. Außer mir und dem Vizekämmerer haben nur die sieben Kammernotare einen Vorrat davon. Und natürlich die jeweiligen Sekretäre beziehungsweise Schreiber.«
»Ich habe dieses Papier bei Signorina Nera gefunden.«
»Mir ist schleierhaft, wie es zu ihr gelangen konnte. Und was sie damit wollte. Ob als Quittung, als Rechnung oder Urkunde: Ohne Siegel ist es nichts wert. Sie hätte ebenso gut Gedichte darauf schreiben können, das wäre dasselbe gewesen.«
»Und wer besitzt ein Siegel?«
»Nur ich.« Er machte eine Pause. »Ich weiß, wie sich das für Euch anhören muss, Carissimi. Doch ich versichere Euch, ich habe dieses Briefpapier nicht zu Maddalena gebracht. Wozu auch? Ich könnte hier, an meinem Schreibtisch, jederzeit siegeln, so viel ich will.«
Diese Erklärung leuchtete Sandro ein – vorerst. »Ich danke Euch für die Beantwortung der
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