Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
lauere ich in Büschen, bestehle die Reichen und gebe es den Armen«, parierte Sandro. Die zwei Becher Wein hatten ihn munter gemacht und entspannt.
Kardinal Quirini lachte lauthals über den kleinen Scherz; für Sandros Geschmack etwas zu laut und lange, um echt zu sein. Quirinis Gesicht zerschmolz geradezu vor Frohsinn, als er Sandro einen Platz anbot.
»Und vielleicht ein Glas Wein?«, fügte er hinzu. »Es ist Mittag, und die Hitze ist erbärmlich.«
Sandro spürte die Lust, aber er wusste auch, dass er einen einigermaßen klaren Kopf brauchte.
»Nein, danke, Eminenz.«
»Sehr bescheiden«, lobte Quirini. »Ihr seid ein großes Vorbild.«
Und Ihr seid ein großer Menschenkenner, dachte Sandro und schüttelte im Geiste den Kopf.
Sie einigten sich darauf, dass Quirini trinken durfte, was er wollte, nämlich Wein, während Sandro mit einem Wasser vorliebnehmen würde. Der Dominikaner servierte beides mit großer Schnelligkeit und zog sich dann zurück.
»Willkommen in der Apostolischen Kammer«, rief Quirini und schwenkte übermütig den Arm, um das Reich anzudeuten,
das er beherrschte. Der Stolz, der in dieser Geste lag, war unübersehbar. Sandro wusste über ihn, was alle wussten: Er war seit drei Jahren in seinem Amt, war also noch von Papst Paul III. eingesetzt worden, und nicht wenige waren erstaunt über diese Ernennung gewesen. Das, was die Inhaber dieses Amtes – wie fast aller hoher Kirchenämter – normalerweise mitbrachten, konnte Quirini nicht vorweisen: alten Adel oder viel Geld. Quirini stammte nicht aus einer vornehmen Familie. Sein Vater, munkelte man, sei Schneider am Hof des Herzogs von Parma gewesen, wo er sich tückisch dessen Vertrauen erschlichen habe und weit mehr Lohn erhielt, als üblich war für diese Arbeit. Dadurch konnte er seine Töchter einigerma ßen gut verheiraten und seinen jüngeren Sohn Vincenzo in ein renommiertes Dominikanerkloster einkaufen, wo Vincenzos ebenso geheimnisvoller wie rasanter Aufstieg begann.
Es war die übliche Mischung aus Missgunst, Standesdünkel und Boshaftigkeit, die solche Geschichten braute und in Umlauf brachte. Der Hoch- und Geldadel duldete Emporkömmlinge aus einfachen Schichten nicht, so als seien sie ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Dinge, ein Aufruhr gegen uraltes Gesetz. Aber selbst wenn die Geschichte stimmen sollte: Das eigentlich Wichtige übersahen die Neider, denn der Aufstieg von Vincenzo Quirini war alles andere als geheimnisvoll. Im Kloster nahm er sehr schnell das Amt eines thesaurarius ein, der sich um die monetären Belange kümmerte. Offenbar war er darin so erfolgreich, dass der Erzbischof auf ihn aufmerksam wurde und ihn nach Ravenna holte. Von dort kam er in den Vatikan, in die Apostolische Kammer, und übte die verschiedensten Ämter aus. Welche Aufgabe auch immer man ihm übertrug – solange sie mit Finanzen zu tun hatte, erfüllte er sie bravourös. Was Raffael in der Malerei und Cäsar auf dem Schlachtfeld gewesen waren, das war Quirini beim Geld.
Normalerweise hätte man ihn bis zum thesaurarius der
Apostolischen Kammer aufsteigen lassen, um seine Fähigkeiten auszunutzen, ja, vielleicht wäre man sogar so großzügig gewesen, ihm die Position des Vizekämmerers zu gönnen. Aber Kardinal und vor allem camerarius – ein Amt, das bisher nur die reichsten und edelsten Familien besetzt hatten, die Sforza, die Riario, die Orsini -, das war ungeheuerlich. Kardinal Quirini war ein Unfall, der nur deswegen passieren konnte, weil – so die bösen Zungen – Papst Paul III. in seinen beiden letzten Jahren nicht mehr ganz Herr seiner Sinne gewesen sei. Dass Julius III. Quirini bisher nicht entlassen und ersetzt hatte, hing wohl nur damit zusammen, dass er selber ein Emporkömmling und ein Unfall war und dass er mit einigen vornehmen Familien nicht gerade auf gutem Fuße stand, um nicht zu sagen, mit ihnen verfeindet war.
Quirini fühlte sich jedenfalls sehr sicher in seinem Amt – zumindest erweckte er diesen Eindruck.
»Mein lieber Carissimi – ich darf Euch doch so nennen? -, ich weiß nicht, ob Euch klar ist, wo Ihr Euch befindet. Wir sind eines der wichtigsten Organe der Christenheit. Unsere Räume beherbergen zwar nicht das Herz der heiligen römischen Kirche – das ist die Petersbasilika – und nicht das Hirn – das ist das Offizium des Heiligen Vaters. Aber wir sind der Magen. Bei uns trifft das ein, was uns am Leben erhält: das Geld. Ohne uns würde die Kirche verhungern.«
Quirini lachte
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