Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
dein Vater.«
»Ich bin nicht wie er.«
»Oh, das weiß ich, mein lieber Sandro. Es ist nur... All dieses Geld hat eine verführerische Kraft. Mir war es lieber, dass du deinen eigenen Weg gehst, ganz ohne uns, allein geführt von Gott und seiner Bestimmung für dich. Dafür war ich sogar bereit, mich gänzlich von dir fernzuhalten. Und ich habe recht behalten. Du wenigstens bist gerettet, während wir anderen...
Wenn du morgen zur Verlobungsfeier ins Haus Farnese kommst, wirst du ja sehen, wie dein Vater die Menschen, die er heranzieht, verdirbt.«
»Da du gerade die Heirat erwähnst...«, begann Sandro, kam aber nicht weiter.
»Oh, sie ist gewiss nicht meine Idee. Alfonso und Ranuccio haben das untereinander ausgehandelt. Ranuccio ist ja nun volljährig und damit das Oberhaupt seines Familienzweiges, er kann tun, was er will. Ganz offensichtlich will er deinen Vater beerben, um irgendwann wieder ein vollwertiger Farnese zu sein, ein Farnese mit viel Geld – und viel Hochmut.«
»Und Bianca? Was sagt sie dazu?«
»Mein Gott, Bianca... Du kennst sie ja.«
Sandro lächelte. Die ältere seiner beiden jüngeren Schwestern war ein Wesen, das in seiner Erinnerung nur aus Lachen bestand, aus Lachen und Neugier, aus viel Geplapper und unendlich vielen, sorgfältig gelegten Haarlocken. Als Sandro das Elternhaus verlassen hatte, um in den Orden einzutreten, war sie sechzehn Jahre alt und abwechselnd in jeden einzelnen von Sandros Freunden verliebt gewesen. Dass sie an jeder Tür im Haus gelauscht und jeden eintretenden Besucher von der oberen Treppe aus inspiziert hatte, war ihm unvergesslich. Niemals hatte er sie sorgenvoll erlebt, und niemals hatte sie sich über jemanden oder etwas länger als zwei Lidschläge lang den Kopf zerbrochen.
Er erkundigte sich zunächst nach Marina, der jüngeren seiner Schwestern, die, wie er erfuhr, bei einer Tante in Lucca den Winter verbracht hatte und erst im Juni zurückerwartet wurde. Dann leitete er wieder zu seinem Fall über.
»Was weißt du über Ranuccios Bruder Sebastiano«, fragte Sandro. »Was hältst du von ihm?«
Elisa forschte kurz in seinem Gesicht, überrascht, weil er sich für Sebastiano interessierte. »Offen gestanden: Er hat etwas
Beunruhigendes an sich. Mir gegenüber ist er stets höflich, aber dahinter steckt meiner Meinung nach kein echtes Gefühl. Ich glaube manchmal, dass er im Grunde einen anderen Charakter hat, so als stecke ein zweiter Mensch in ihm. Er ist Dominikaner, aber glaube bloß nicht, dass er das aus vollem Herzen geworden ist. Man hat ihn gezwungen, Mönch zu werden.«
Es entstand eine kleine Verlegenheitspause, weil Elisa wohl genauso wie Sandro einfiel, dass er schließlich auch nicht aus vollem Herzen Jesuit geworden war.
Sie seufzte. »Francesca allerdings hängt an Sebastiano, und umgekehrt. Sie stehen sich so nahe, wie Bruder und Schwester sich nur nahestehen können. Im Vergleich zu Ranuccio ist er passabel. Ich jedoch werde mit keinem ihrer Brüder vertraulich. Nur mit ihr selbst. Sie hat, wie Ranuccio und Sebastiano, einige Jahre in unserem Haus gelebt, und ich habe sie erzogen, als wäre sie mein eigenes Kind.«
»Sie wirkt kränklich.«
»Ja, ihre Gesundheit ist angegriffen. Seit zwei Jahren lebt sie im Palazzo von Ranuccio, und Ranuccio tut ihr nicht gut. Sie wäre berufen, Nonne zu werden, das ist mein größter Wunsch und mein innigstes Gebet für sie, doch Ranuccio lässt sie nicht. Er sagt, ein Kuttenträger in der Familie sei genug. Und solch einen Zyniker lässt dein Vater in unsere Familie einheiraten. Es ist ein Skandal.«
Ihre Hand krampfte sich um die Madonna, als könne nur dieses silberne Medaillon ihr noch helfen.
Für Sandro ganz unerwartet, weil seine Mutter eben noch so kämpferisch gewirkt hatte, brach sie in Tränen aus. Ihr Körper krümmte sich, und ihre Stimme zerfiel: »Sandro, ich... weiß nicht mehr... was ich tun soll. Mir – mir kommt es vor, als halte überall um mich herum – das Verderben seinen Einzug. Ich bedeute deinem Vater nichts mehr, bin nur noch eine
Last für ihn. Er nimmt keine Rücksicht – keine Rücksicht mehr. Früher, da hat er wenigstens noch... Aber das ist vorbei, Sandro, vorbei, alles vorbei. Ich halte das nicht mehr aus. Diese ganze Stadt ist... verloren. Alle diese – diese schmutzigen Augen, diese Geldgier, diese Gewissenlosigkeit, dieses Laster links und rechts... Ich... Ich...«
Sie drohte zu fallen, und Sandro stützte sie. Er hielt sie in seinen Armen, hielt ihren
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