Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
dem dampfenden, schwarzen Inhalt zum Mund führen sollte, ohne es zu zerbrechen. Zweifellos hatte der kleine Henkel etwas damit zu tun, doch Forli war sich nicht sicher, welcher Finger von welcher Seite durch den Henkel gesteckt werden musste. Er wünschte, er hätte Francesca danach gefragt, als sie noch unter sich gewesen waren. Doch so weit hatte er nicht gedacht. Wie auch? Seine Gedanken hatten sich die ganze Zeit über mit der Frage beschäftigt, wie er sich am besten so verhalten könnte, dass es ihr gefiel. Mit Worten konnte er nicht umgehen, jedenfalls nicht in der Gegenwart von Frauen. Wenn sie abwesend waren, wenn er allein in seiner Stube war, dann fand er allerlei Worte, die die Frauen begeisterten und dazu brachten, das zu tun, was er sich vorstellte, das sie tun sollten.
Sobald sie ihm jedoch in Fleisch und Blut gegenüberstanden, wollten ihm diese Worte ums Verrecken nicht über die Lippen kommen, und er begnügte sich dann damit, ihnen die Wassereimer zu tragen oder ein paar Pfund Mehl vom Müller zu besorgen. Sein Ziel erreichte er so allerdings nie, was einer der Gründe für seine Ehelosigkeit und seine hohen Ausgaben für Dirnen war.
Bei Francesca waren es die Bohnen gewesen. Sie hatte zwei Handvoll Kaffeebohnen auf einen runden, flachen Stein gelegt, der wiederum Teil einer an Mühlsteine erinnernden Konstruktion war, nur dass diese Mühlsteine problemlos in eine Küche passten. Sie hatte begonnen, die Steine mit einer Kurbel in Bewegung zu setzen, als er ihr diese Arbeit abgenommen hatte.
»Was passiert mit dem braunen Mehl, wenn es fertig gemahlen ist?«, hatte er sie gefragt. »Ihr müsst wissen, ich – ich kenne das Getränk nicht, Donna Francesca.«
Falls sie von seiner Unwissenheit überrascht gewesen war, hatte sie sich nichts anmerken lassen. »Man trinkt es in Italien noch nicht allzu lange. Es kommt aus dem Orient, aus einer Stadt namens Mokka, glaube ich. Wie alles, was die Levante anbringt, ist es für normale Leute nahezu unerschwinglich. Seht her.«
Sie hatte das Kaffeemehl, das die Farbe ihrer Haare angenommen hatte, mit einem Pinsel zusammengekehrt, in eine große Schale gegeben und mit heißem Wasser übergossen.
»Ich warte kurz, und dann lasse ich die Flüssigkeit durch ein dünnes Tuch in die Kanne laufen. Das Kaffeemehl wird nicht mehr gebraucht.«
»Der Farbe des Tuchs nach muss es scheußlich schmecken. Dieses Tuch sieht aus, als habe jemand in der Nacht urplötzlich die Scheißerei bekommen.«
Sie hatte über seinen derben Scherz gelacht, hinreißend süß gelacht – und gleich danach hatte sie einen Schwindelanfall
bekommen. Er hatte sie stützen müssen. In diesem Moment hatte sich in seiner Brust etwas bemerkbar gemacht, das ihm bis dahin unbekannt gewesen war, nämlich der Wunsch, jemanden – Francesca – auf Händen zu tragen, zu liebkosen.
Der Vater schenkte die dritte und letzte Tasse voll und hielt sie in Richtung seines Sohnes, der noch immer an der Tür stand. »Sandro«, sagte er.
Forli drehte sich nicht um, aber offensichtlich bewegte der Sohn sich nicht, denn der Vater stellte die Tasse wieder auf den Tisch, setzte sich, stützte seine Arme auf die Lehnen und führte die Fingerspitzen beider Hände in der Höhe seines Kinns zusammen. Jede seiner Bewegungen erweckte den Eindruck gro ßer Beherrschung.
»Du bist reif geworden – in gewisser Weise«, sagte er.
»Was meinst du mit ›gewisser Weise‹?«
»Damit meine ich, dass du erwachsen aussiehst, dich aber nicht so benimmst. Das letzte Mal, als ich dich sah – das war am Tag meiner Abreise nach Valencia, wo ich geschäftlich zu tun hatte -, habe ich dich ermahnt, die Beziehung zu einer jungen Witwe, die du gerade verführt hattest, zu beenden. Was ich nicht ahnte, war, dass du dir meine Ermahnung so sehr zu Herzen nehmen und Mönch werden würdest.«
»Du weißt sehr gut, dass deine Ermahnung nichts mit meiner Entscheidung zu tun hatte.«
»Und heute«, fuhr der Vater fort, »lehnst du eine Tasse Kaffee ab, nur weil ich sie dir anbiete. Man merkt, dass du bereits mit deiner Mutter gesprochen hast. Sie versteht es hervorragend, unreife Menschen in ihrer Unreife zu bestärken und reife Menschen zumindest zeitweise wieder zu unreifen zu machen. Ich halte dich der zweiten Kategorie zugehörig, und das darfst du jetzt gerne als Lob verstehen. Dein Aufstieg zum Visitator ist bemerkenswert und zeigt mir, dass doch ein wenig von meinem Blut in dir fließt. Ich fürchtete schon, du kämest
Weitere Kostenlose Bücher