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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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des Ausdrucks, erweckte den absurden Anschein eines ausgestopften Stoffkörpers.
    Es war, als sei ihnen beiden, Vater und Mutter, mit dem gewachsenen Reichtum das Menschliche abhanden gekommen. Und auch jede Beziehung zueinander.
    Während er weiterging, behielt Sandro das Gemälde im Auge, und so bemerkte er zu spät, dass er in jenen Raum eingetreten war, der den Hintergrund des Gemäldes bildete. Da war sie, die Recamiere – und Elisa, im selben Kleid und fast in derselben Haltung wie auf dem Bild.
    Umso auffälliger war der Unterschied zwischen den gemalten Augen, die gleichgültig, fast ein wenig feindselig blickten, und jenen, denen er jetzt begegnete: dankbare Augen, grau geworden und verschleiert vom Alter, Augen einer Mutter, für die ein letzter Wunsch in Erfüllung gegangen ist und die ihren Sohn nach Jahren seiner Verbannung wiedersieht.
    Sie erhob sich langsam, ohne den Blick von ihm zu nehmen.

    Sandro hatte, seit er wusste, dass er herkommen würde, überlegt, welche Reaktionen sein Erscheinen bei seiner Mutter auslösen würde. Doch er hatte nie überlegt, was er dabei empfinden würde, sie wiederzusehen. Natürlich liebte und verehrte er Elisa, wie ein Sohn nur lieben und verehren kann, wenn die Mutter derart liebevoll, still, klaglos und gütig ihre Kinder aufzieht. Aber er war überrascht, als sich noch ein anderes Gefühl einstellte, das er nie im Zusammenhang mit seiner Mutter gekannt hatte: Mitleid.
    Sie deutete ihm an, dass er ihre Wangen küssen solle, und er tat es, wobei er ein leichtes Zittern bemerkte. Früher hatte sie nie gezittert. Elisa war immer von einer großen Zuversicht gewesen. War sie einfach nur aufgeregt, so wie er? Sie war alt geworden, über sechzig Jahre, doch die straffen Wangen ihres fülligen Gesichts täuschten darüber hinweg.
    »Mutter«, sagte er.
    »Mein Lieber.« Ihre Stimme war brüchig geworden in diesen Jahren.
    »Wie geht es dir, Mutter?«
    Elisa, das erkannte er mit einem Blick, war eine zutiefst traurige Frau. Ein wenig hatte sie immer schon in diese Richtung tendiert. Jedoch hatte er früher ihre Traurigkeit nicht wahrgenommen, weil diese Traurigkeit zu leise und schwach gewesen war. Jetzt sprang sie ihm entgegen, wurde fassbar, war überall an ihr zu erkennen, an den Gesten, dem Zittern des Kopfes, der fragilen Stimme, der Art, wie sie ihr Haar mit einem Schleier bedeckte, wie sich die Brust hob und senkte. Sie atmete Traurigkeit ein und aus.
    Sofort spürte er die alte Schuld. Wenn er damals nicht ihren Sohn, seinen Halbbruder, niedergestochen hätte, wären sein Leben und ihr Leben in anderen Bahnen verlaufen. So verschieden sie auch waren, sie hatten sich gegenseitig Kraft und Stabilität gegeben: Sandro, der Frauenheld und Herumtreiber;
Elisa, die Sandro vergötterte, weil sie ihren Sohn aus der ersten, der annullierten Ehe im Stich gelassen hatte. Mit seiner Bluttat hatte Sandro diesen Zusammenhalt zerstört und damit ihrer beider Leben aus dem Gleichgewicht gebracht. Das, was Elisa zu dem gemacht hatte, was sie heute war, hätte ohne seine Torheit nicht stattgefunden.
    Sie ging nicht auf seine Frage nach ihrem Befinden ein. »Darf ich Francesca Farnese vorstellen«, sagte sie und deutete auf die Frau, die ihn und Forli hierhergeführt hatte. »Sie ist die Schwester von Ranuccio, dem Mann, mit dem Bianca sich vermählen wird. Du hast davon gehört?«
    »Erst vor einer Stunde.« Obwohl er lieber mit seiner Mutter gesprochen hätte, wandte er sich höflichkeitshalber an Francesca. »Ich habe heute Euren jüngeren Bruder gesprochen.«
    Sie blinzelte gelassen. »Sebastiano? Geht es ihm gut? Seit er Novize ist, sehen wir uns viel zu selten. Ich vermisse ihn sehr. Das Haus ist ohne ihn nicht mehr das, was es einmal war.«
    Elisa nahm Francescas Hand in die ihre, so wie sie es früher bei Sandro oft getan hatte, und wandte sich ihm zu. »Der Vater von Francesca, Ranuccio und Sebastiano starb vor sechs Jahren, als sie alle noch unmündig waren. Er hatte das gesamte Familienvermögen verschleudert und sah die Todsünde des Selbstmordes als einzigen Ausweg. Die Mutter ist schon ein Jahr vor ihm gestorben, eine gütige, fromme Frau, die von allen ihren Kindern geliebt wurde. Ihr Tod wurde tief betrauert. Ich war eine ihrer besten Freundinnen. Dein Vater, Sandro, und ich haben die Erziehung der drei übernommen, denn die Onkeln und Tanten und Vettern, das muss man leider sagen, haben sich überhaupt nicht gekümmert.«
    Sandro kannte seinen Vater zu gut, um

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