Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
anzunehmen, dass dieser seit sechs Jahren aus purer Wohltätigkeit die Erziehung dreier verarmter Adelskinder bezahlte. Selbstverständlich hatte
Alfonso von Anfang an eine eheliche Verbindung ins Auge gefasst. Das Kapital heiratete die Aristokratie, damit beide von dem profitierten, was der andere überreich hatte: Geld und Nobilität. Eines der ältesten Rezepte der Welt, nicht besonders originell, aber nichtsdestotrotz noch immer sehr beliebt.
Sandro stellte seinerseits Hauptmann Forli vor, wobei er es vermied, den Zweck seines Hierseins zu nennen. Allerdings war es ihm ein wenig peinlich, dass Forli roch wie ein Wisent.
»Alfonso ist noch nicht im Haus«, sagte Elisa. »Er verspätet sich wohl etwas.« Sie hatte vermutlich damit gerechnet, dass Sandro allein käme, und für diesen Fall eine Absprache mit Francesca getroffen, welche jetzt durcheinandergeriet. Elisa und Francesca mussten erst einige mehr oder weniger auffällige Blicke tauschen, bevor Elisas Schützling verstand, was zu tun war.
»Ich werde uns eine Erfrischung bringen«, sagte Francesca. »Die Hitze ist für einen April wirklich ungewöhnlich. Hauptmann Forli, wenn Ihr mir helfen könntet... Die Dienerschaft hat heute Nachmittag frei.«
»Mit Vergnügen«, sagte Forli und rieb sich ziemlich ungebührlich die Hände, so als habe er soeben das Geschäft seines Lebens gemacht, was glücklicherweise weder Francesca Farnese noch Elisa bemerkten.
Kaum war Sandro mit seiner Mutter allein, ergriff sie seine Hände. Die ihren fühlten sich wie Pergament an, wie etwas Vertrautes. Sie kam dicht zu ihm und streichelte seine Wange. »Sandro.« Sie sprach seinen Namen zum ersten Mal aus, einfach nur so, als wolle sie sich durch das Aussprechen des Namens Sandros Anwesenheit versichern. »Sandro. Wir haben eine Stunde für uns. Ich habe deinem Vater eine spätere Zeit für dein Kommen genannt. Sandro.«
Sie betrachtete sein Gesicht. »Du siehst mager aus, Sandro. Du isst zu wenig.«
»Aber nein, Mutter. Ich bin nicht mager, ich bin bloß schlank.«
»In deinem Alter ist es unvernünftig, schlank sein zu wollen. Du wirst nachher etwas Anständiges zu essen bekommen.«
Sie sprach mit ihm, als wäre er von einer kurzen Reise zurückgekehrt, als sei er der zwanzigjährige, nicht ganz reife, nicht ganz ernst zu nehmende Jüngling. Sie redete viel, fiel ihm auf. Früher hatte sie weit weniger gesprochen, nun holte sie auf, was versäumt worden war. Und immer mit dieser fragilen Stimme, die jeden Moment zu zerbrechen drohte.
»Ich hörte, du gehst ins Hospitalkloster der Jesuiten und pflegst dort die Kranken und Blinden. Das ist schön, Sandro. Du tust gute Werke, die Gott gefallen. Fühlst du dich wohl bei den Jesuiten? Ja? Oh, ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das freut. Mir wird ganz leicht ums Herz, wenn ich das höre.«
Ihre Vorliebe für dramatische Redewendungen hatte er fast vergessen. Sie klang manchmal arg übertrieben, aber Sandro wusste, dass sie es genau so meinte, wie sie es sagte.
Sie führte ihn zur Recamiere und bot ihm den Platz neben sich an. Seine Hände ließ sie kaum einen Moment los, und für die Dauer weniger Atemzüge loderte ein seliges Glück in ihren Augen, Seite an Seite mit ihm zu sitzen.
Dann fiel dieses Glück urplötzlich in sich zusammen. »Ich war damals – ich war damals voller Zweifel, ob ich das Richtige getan habe«, bekannte sie. »Du weißt schon: dich aufzufordern, in einen Orden einzutreten. Nachdem du fort warst, glaubte ich, mir ein Stück meiner selbst aus dem Fleisch geschnitten zu haben. Du hast eine furchtbare, furchtbare Lücke in meinem Herzen hinterlassen.«
Sie spürte wohl, wie ihn dieser Satz mit voller Wucht traf, denn sie korrigierte sich sofort. »Oh, das war nicht als Vorwurf gemeint. Dieses Leiden hatte seine Richtigkeit, das weiß ich heute, ich weiß es schon seit vielen Jahren. Es ist mir von
Gott bestimmt worden. Überhaupt alles war Gottes Werk: dass dein Halbbruder zu mir kam und mich beschimpfte, dass du ihm aufgelauert hast, um ihn zu töten, dass er nicht starb, sondern nur schwer verletzt wurde, dass ich dich dazu brachte, für deine Tat Buße zu tun. Sieh uns an. Hat sich nicht alles zum Guten gewendet? Du warst ein Nichtsnutz gewesen und hast deine Zeit mit anderen Nichtsnutzen totgeschlagen. Aus gutem Grund wolltest du kein verlogener Geschäftemacher wie dein Vater werden, aber du wusstest auch nicht, was du stattdessen tun solltest. Heute bist du für die Schwachen und Armen
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