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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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konnte. In der Mitte des Sockels waren ein paar Ziegel locker, und wenn man sie wegnahm, gaben sie einen Hohlraum von der Größe einer Lade frei. Sollte sich ein schlichtes Holzkreuz in dem Hohlraum
befinden, hieße das, er würde morgen nach Einbruch der Dunkelheit hier einen Auftrag erhalten. War der Hohlraum leer, würde er vorerst niemandem das Leben nehmen.
    Er blickte sich noch einmal um. Von irgendwoher war das Keuchen zweier Männer zu hören.
    Er grinste. Er hatte diesen skurrilen Schauplatz bewusst als konspirativen Ort gewählt, weil ihm die Vorstellung gefiel, dass Massa, der Kammerherr des Papstes und Überbringer der Aufträge, hierher kommen müsste. Natürlich hatte Massa sich anfangs gegen diesen Ort gesträubt. Aber was blieb ihm übrig? Fähige Todesengel wuchsen nicht auf Bäumen. Sein angewiderter Gesichtsausdruck amüsierte ihn jedes Mal.
    Der Hohlraum war leer.
    Schade. Ein wenig enttäuscht war er schon. Es gab Zeiten, da wünschte er sich, von Aufträgen verschont zu bleiben, und es gab andere Zeiten...
    Nicht zu ändern. Er würde morgen Abend wieder hierherkommen. Und vielleicht läge dann ein Kreuz im Sockel.

13
    Graziöse Frauen, derbe Frauen, Frauen in aphrodisische Düfte eingehüllt, Frauen wie Frühlingssträuße, nackte Frauen, mannshohe Walküren, kühle Venusse und gelenkige Salomes – Antonia begegnete ihnen allen, als sie an ihrem ersten Abend im Teatro hinter dem Tresen des Animierraumes stand. Und doch hatten diese Frauen, bei allen Unterschieden im Äußeren und in ihrem Charakter, etwas gemeinsam: Es gab keine Scham mehr bei ihnen, keine Barrieren, keine heiligen Flammen, die es noch wert waren, gehütet zu werden. Das Wort Liebesdienst erhielt hier eine neue, eine spöttische Bedeutung. Es gab für
diese Frauen keine Liebe mehr, keine Liebesqualen, es gab nur den Dienst, das Opfer, das tägliche Opfer, das sie dem Leben erbrachten, damit es ihnen erhalten blieb. Die Verzweiflung der Huren war nicht gegenständlich, man konnte sie nicht sehen. Sie lachten, sie tranken, sie scherzten. Gleichmütig zogen sie ihre Kleider aus und wieder an und wieder aus. Die Verzweiflung war dem Auge entzogen, sie war unsichtbar vorhanden, wie der Klang einer Totenglocke. Bei der einen Hure waren es Wimpernschläge, so als würde zwischendurch eine ferne Vergangenheit in ihr aufblitzen, als sie noch ein Mädchen war und mit Lämmern und Schlamm spielte. Eine andere nannte sich Isabella Prioma da L’Aquila, ein Name, der geradezu sprudelte vor Frische, Reinheit und Würde, doch im krassen Gegensatz zu dem stand, was ihr von den Männern abverlangt wurde. Bei einer dritten, die zu Antonia an den Tresen kam und vom billigen Wein trank, war es ein kurzer, fast unhörbarer Seufzer, aber nicht einer der Erleichterung, sondern einer des Nichtverstehens, warum ausgerechnet ihr das alles widerfahren musste. Die Verzweiflung der Einzelnen vereinigte sich zu einer ganzen, die wie eine dumpfe Glocke über allem lag, und obwohl sie nicht zu sehen war, war sie das einzig Echte, Authentische an diesen Frauen. Denn alles andere war imitiert: Das Lachen war grotesk übersteigert, die Erregung geheuchelt, die säuselnden Worte in die Ohren der Männer glatte Lügen, die Lügen bezahlter Frauen. Die Männer merkten nichts davon, und wenn sie es doch merkten, wollten sie es nicht wahrhaben. Sie brauchten die Illusion, begehrt zu werden, und wäre es nur das gewesen, hätte Antonia ihnen keinen Vorwurf machen können, denn alle Menschen lebten von Illusionen, die Jungen, die Alten, die Schwachen und Kranken. Doch diese zahlenden Männer gaben nichts anderes als ihr Geld, nur das. Sie gaben nichts von sich preis, und das nahm Antonia ihnen übel. Solange sie hier unten zwischen anderen
Männern waren, zogen die Männer sich nie völlig aus, sondern rieben beiläufig ihr schwellendes Geschlecht durch den Stoff der Kleider hindurch, während sie die Frauen betrachteten und die Finger in deren Fleisch gruben. Sie dachten nur an sich, an ihre Lust. Für sie waren diese Frauen wie das Wild, das sie auf Jagdausflügen schossen, um sich am Schuss und am Tod zu ergötzen. Manche brachten ihre Söhne mit ins Teatro , so als würden sie sie in die Fertigkeiten der Jagd einführen. Die Väter hielten sich im Hintergrund und sahen ihren fünfzehnjährigen, sechzehnjährigen Söhnen dabei zu, wie sie sich bei der ersten Berührung mit der Welt der Männlichkeit anstellten. Sie trieben die Söhne an oder amüsierten sich

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