Die Huren des Apothekers
von ihr hören? »Ich … mein Kind wird die
nächsten Tage zur Welt kommen. Hier kann ich nicht bleiben, denn die
Mädchen werden tratschen, dass ich verschwunden war und, als ich
wiederkam, das Anwesen des Apothekers abbrannte. Es wird nicht lange
dauern, dass ich dafür verantwortlich gemacht werde. Und wie soll
ich mich gegen den Vorwurf wehren?«
»Dann komm mit mir«, sagte er.
Genau auf diese Worte hatte Elße gehofft, so sehr
gehofft, dass sie in Tränen ausbrach. Sie drückte den Jungen so
fest, dass er seufzte.
»Nicht mehr weinen«, murmelte er, wobei ihm
weiter das Wasser aus den Augen floss.
Darüber musste Elße lachen, was aber mit dem
gleichzeitigen Schluchzen zu einem seltsamen Glucksen geriet, worüber
sie wieder lachen musste. »Ja, das wünsche ich mir«, brachte sie
schließlich heraus. »Wenn du mich willst.«
Frank streckte die Hand aus, als wolle er sie
berühren, hielt jedoch kurz vorher inne. »Doch, das will ich«,
sagte er leise. Er nickte und vollendete die Bewegung, indem er dem
Jungen auf die Schulter schlug. »Auf, Wendelin. Pack die Bündel in
die Kutsche und setze dich auf den Bock. Wir reisen ab.«
Als ob er nie Seelenschmerz empfunden hätte,
sprang der Junge auf und strahlte Frank mit seinen zerbrochenen
Zähnen an. »Abreisen? Eine richtige Reise? Mit der Kutsche?«
Er rannte so schnell los, dass er nach drei
Schritten stolperte und sich mit beiden Armen abfing. Ungeschickt
packte er ein längliches Paket, das nichts anderes als das Schwert
enthalten konnte, und bugsierte es nach mehreren Versuchen, bei denen
es in der engen Tür hängenblieb, in die Kutsche. Den Korb nahm er
Frank aus den Händen und warf alles, was noch neben den Rädern
gestapelt lag, hinein, bevor er auf den Kutschbock kletterte.
Frank sah ihm schmunzelnd zu, dann richtete sich
sein Blick wieder auf Elße. Er sah sie so intensiv an, dass es ihr
innerlich warm wurde. Seine Hand, die er ihr entgegenstreckte,
übersah sie dabei beinahe. »Ich werde gut für dich und dein Kind
sorgen«, sagte er, während er ihr aufhalf und sie zur Kutsche
geleitete. Es gab nichts auf der Welt, was sie lieber gehört hätte.
---
Hilde Weinzier richtete große, erstaunte Augen
auf Luzias Leib, als ob sie nie im Leben damit gerechnet hätte, dass
jemand wie die Gattin ihres Kollegen schwanger werden könnte.
Schnell fing sie sich und fasste Luzias Ellbogen, als ob sie eine
Porzellanpuppe nehmen wollte. »Ach, wie wunderschön! Frau Luzia,
ich wusste ja gar nicht … Es ist das Erste, nicht wahr? Nun, nach
einem guten Jahr Ehe darf man ja damit rechnen. Wie fühlst du dich
denn? Geht es dir gut?«
Hatten die drei Wochen seit ihrer letzten
Begegnung denn so viel an Luzias Figur verändert? Anscheinend schon,
wenn es Hilde so auffiel. Vielleicht lag es aber auch an Alheits
strengen Vorschriften, denen Luzia sich gezwungenermaßen beugte:
Kein geschnürtes Mieder, lose fallende Röcke, dafür aber die Haare
streng unter der Haube nach hinten gebunden. Auch Magdalene achtete
darauf, dass nicht eine Locke sich hervorstahl. Aberglaube, hatte
Lukas das genannt, doch die versammelten Frauen in seinem Haus waren
sich einig, dass man kein Risiko eingehen sollte.
Luzia war froh, dass Magdalene sich nicht hatte
überreden lassen, den Besuch bei Weinziers mitzumachen, obwohl doch
auch ihre Belange angesprochen werden sollten. In allererster Linie
jedoch wollte Luzia die Anliegen ihres Gatten vertreten. Dem kam
entgegen, dass Weinzier anscheinend überhaupt nicht mehr wusste, wie
sie sich im Streit getrennt hatten.
»Schrecklich«, wechselte Hilde schon wieder das
Thema, »dass du den fürchterlichen Brand mitansehen musstest, in
deinem Zustand! Ich wäre ja vor Angst im Boden versunken, dass auch
das Dach über meinem Kopf zu brennen beginnt!«
»Es ist ja weit genug entfernt und der Wind …«,
begann Luzia, wurde jedoch sofort von Hilde unterbrochen.
»Und all die Weiber, die auf einmal vor deiner
Tür standen! Sag, fürchtest du dich denn nicht vor denen? Man weiß
ja, dass sie nicht im besten Ruf stehen, und wer sagt dir, dass nicht
einige oder gar alle mit den Räubern im Bunde stehen?«
»Wäre eine von ihnen ein Räuber-Liebchen, dann
hätten die Halunken sie doch nicht hilflos verbrennen lassen!«
Dieser Einwand von Lukas rettete Luzia vor einer langatmigen
Erklärung.
Theodor Weinzier ließ sich nicht von seiner
Gemahlin unterbrechen, so erregt sie auch gestikulierte. »Meine
Hochachtung, Herr Kollege, man berichtet,
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