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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Anhänger, der wie ein Bündel Weizen aussah. Die ersten
Sonnenstrahlen krochen über den Horizont und verfingen sich darin.
Bärbel und Jonata. Elße kniete nieder und sprach ein kurzes Gebet,
dass beide im Himmel wieder mit ihren Kindern vereint in Gottes Gnade
weilen durften.
    Die Kutsche der Apothekerin stand vor dem
Häuslein. Zuerst erschrak Elße, bis sie sich vergegenwärtigte,
dass der Mann Mechthild nicht ungeschoren herumlaufen lassen würde.
Der Mann. Elße lachte auf. Frank. Henkersmeister war er, ein
ehrloser Beruf. Aber besaß er als Meister nicht doch eine Art Ehre?
Wie viele Arten Ehre gab es denn? – Zumindest Ehre genug für Elße.
Eindringlich war sie gewarnt worden, einen solchen niemals nahe an
sich herankommen zu lassen. Wenn er mochte, durfte er sie so oft
berühren, in den Arm nehmen, wie er nur wollte. Von allen Männern,
die sie kannte, sollte er das am liebsten tun. Und auch sie würde
ihm gerne dafür danken, was er für sie geleistet hatte. Für sie
und die anderen Frauen, denen doch auch er das Leben gerettet hatte.
Und er dürfte sie sogar küssen.
    Auf der Bank vor dem Haus saß der blonde Junge.
Das Blut war aus seinem Gesicht gewaschen, dadurch sahen auch die
Augen nicht mehr so entsetzlich aus, aber dennoch … merkwürdig.
Erst als Elße genau hinschaute, erkannte sie, was mit ihm nicht
stimmte. Wechselbalg , tönte die Stimme der Müllerin in ihrem
Hinterkopf, der bösesten Frau in dem Dorf, aus dem sie stammte.
Andernorts hatte Elße auch solche Kinder gesehen, die aufgewachsen
waren und ihre Arbeiten verrichteten, genau wie andere auch.
    Der Junge hob seinen Kopf und sah sie durch seine
verschwollenen Lider an, wobei ihm der Mund offen stehenblieb und vor
seiner dicken Zunge abgebrochene Zähne sichtbar wurden. Das musste
doch wehtun! Mitleidig setzte Elße sich neben ihn und strich ihm
über das Haar. »Hast du Schmerzen? Suche dir eine Weide und beiße
auf den jungen Ästen herum, das hilft.«
    Tränen liefen aus den Augenschlitzen, auf einmal
warf der Junge sich an Elßes Hals und schluchzte lauthals. Sie
wusste kaum, wie sie sich seiner erwehren sollte, also ließ sie ihn
gewähren.
    »Bist du Bärbel?«, nuschelte er zwischen zwei
Schluchzern.
    »Nein, das ist Elße«, antwortete Frank, der in
diesem Augenblick aus der Haustür kam. Er trug einen Korb mit dem
Gemüse und der Tüte Mehl, die sie am Vortag von Frau Luzia
geschenkt bekommen hatten. »Bärbel haben wir beide doch eben
begraben.«
    Elße wollte aufstehen, aber der Junge hielt sie
so fest umfangen, dass es ihr unmöglich wurde. Darum lächelte sie
nur zu Frank hoch, glücklich, ihn unversehrt zu sehen, und
streichelte sanft den Rücken zwischen ihren Armen.
    »Du hast ein gutes Herz«, sagte Frank.
    So fühlte sie sich gerade nicht, denn so gerne
sie den Jungen trösten wollte, lieber hätte sie Frank in ihren
Armen gespürt.
    »Geht es allen gut? Sind alle in Sicherheit?«,
erkundigte er sich.
    »Ja. Keines der Mädchen fehlt, und am Ende
konnte der Freiherr auch noch Gertrude retten. Mechthild hatte das
Haus abgeschlossen, damit niemand herauskam.« Sie deutete auf die
Kutsche, von der Frau Luzia behauptet hatte, Mechthild sei damit
geflohen. »Ich hoffe, sie hat ihre Strafe bekommen?«
    Frank nickte. »Etwas, das schon vor Jahrzehnten
hätte getan werden müssen. Sie war eine verurteilte, geflohene
Hexe. Ganz gleich, ob damals das Urteil gerecht war, wäre es
vollstreckt worden, könnten heute viele Frauen und Kinder noch
leben.«
    Elße senkte den Kopf und strich gedankenverloren
dem Jungen über die Haare. »Wir wissen nie, welche Wege der
Herrgott für uns vorgesehen hat. Wer weiß, vielleicht mussten all
diese Gotteskinder durch die Hand der Heuchler sterben.« Vielleicht
musste Bärbel sterben, damit du Augen für mich hast, dachte sie und
schämte sich gleichzeitig dafür. Sie fühlte die Schamröte in ihr
Gesicht steigen und senkte es in die blonden Haare des Jungen.
    Frank spielte verlegen mit dem Henkel des Korbes.
»Gottes Wege … Elße …« Er straffte die Schultern und sah sie
an. »Wendelin hat mir das Leben gerettet durch seine Anhänglichkeit.
Er gehört nicht zu den Klügsten und musste viel Übles in seinem
Leben erfahren, hat auch schon einiges getan, das ihm schlecht
angerechnet würde … Mit einer gestrengen Hand wird er nützlich
sein. Darum habe ich beschlossen, ihn mit mir zu nehmen. Wie steht es
mit dir, Elße?«
    Sie spürte, wie ihre Unterlippe zu zittern
begann. Was wollte er

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