Die Huren des Apothekers
das Holz und die
Riegel waren. Hatte Mechthild sich dort eingeschlossen und fand jetzt
nicht mehr heraus?
»Lass mich!« Sie schob Lukas zur Seite und
probierte selbst die Klinke. Am Klang der Tür stellte sie fest, dass
die Riegel nicht vorgelegt waren, aber das Schloss zugesperrt. Ohne
Lukas zusehen zu lassen, schob sie ihre Haken hinein und entriegelte
das Schloss. Die Klinke fühlte sich nicht heiß an, also bestand
noch keine Gefahr, dass ihnen Flammen entgegenschlugen. Trotzdem
öffnete sie vorsichtig.
Lukas riss ihr die Tür aus der Hand und stürmte
an ihr vorbei. »Mechthild? Nachbarin? Bist du noch darinnen?«
Eine Rauchwolke wallte Luzia entgegen, die sofort
in ihre Augen biss. Hustend und blind zog Luzia sich zurück.
Stolpernd gewann sie Abstand zum Haus, um nicht in Gefahr zu geraten,
dass etwas vom Dach auf sie fiel. Leise Flüche ausstoßend rieb sie
sich die Lider, bis sie wieder etwas sah. Sie musste hinterher und
Lukas wieder herausholen! Die geöffnete Haustür würde dafür
sorgen, dass auch das Erdgeschoss jetzt geschwind in Brand geriet. In
welche Gefahr begab er sich!
Schneller als sie sich den Ruß aus den Augen
wischen konnte, sah sie Lukas schon wieder herauskommen. An seiner
Seite führte er eine weiß gekleidete Gestalt. Luzias Blick klärte
sich wieder. Sie erkannte ein Nachthemd, also konnte es nicht
Mechthild sein. Auch Lukas und die Frau neben ihm husteten. Luzia
sprang zu ihrem Mann und half ihm, der Gefahr zu entkommen. Er führte
Gertrude, die Köchin, am Arm.
»Danke, Herr«, keuchte sie. »Ich wachte auf vom
Brandgeruch, träumte noch, mir sei das Essen angebrannt. Vor Angst,
die Herrin schlüge mich dafür, schreckte ich hoch. Dann irrte ich
im Haus umher, suchte einen Ausweg. Die Haustür war abgeschlossen
wie der Dienstboteneingang, die Fenster vergittert, nach oben
versperrten mir die Flammen den Weg. Danke Herr, dass du mich
gerettet hast!«
»Die Tür war nicht versperrt, nur verklemmt«,
beeilte Luzia sich zu versichern. »Herr Lukas hat sie aufgestemmt.«
Zuerst warf Lukas ihr einen irritierten Blick zu,
dann nickte er. Auch ihm würde es nicht gefallen, wenn die
Fähigkeiten seiner Frau im Ort herumerzählt wurden.
»Komm mit, Gertrude, alle anderen sind bei uns im
Haus. Auch du solltest dich ausruhen.«
Gemeinsam gingen sie zurück, wobei sie die Köchin
gelegentlich noch stützen mussten. »Nur gut, dass Frau Mechthild
das nicht sehen muss«, meinte Gertrude auf halber Strecke, wo sie
eine kurze Rast einlegte. »Es würde ihr das Herz brechen. Das Haus
war ihr Ein und Alles.«
»Oh, sie kam vorzeitig zurück«, klärte Luzia
sie auf. »Ich sah sie Kisten und Beutel herausschleppen und in ihre
Kutsche laden. Jetzt ist sie fort.«
»Nun, sie wird vor Angst geflohen sein«, setzte
Lukas hinzu.
»Die arme Herrin!«, jammerte Gertrude.
»Das finden wir alle«, bestätigte Luzia und
schob die Köchin die Treppen in ihr Haus hoch.
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Es dauerte lange, bis Ruhe in den Kreis der jungen
Frauen einkehrte, und Elße glaubte fest, dass sie nicht die einzige
war, die nicht mehr schlafen konnte. Der Herr sei gewöhnt, wegen
seiner anstrengenden Studien in der Nacht lange zu schlafen, hatte
die Kammerfrau verkündet, weshalb sie um Ruhe für ihn bat und das
Wecken auf neun Uhr morgens festgelegt hatte. Seltsamerweise klang
die Turmuhr in diesem Haus weniger laut als von außerhalb, trotzdem
hörte Elße das Verstreichen einer Stunde. Lautlos erhob sie sich
aus den planlos über den Boden verteilten Mädchen und schlich zur
Haustür. Ganz im Gegensatz zu Frau Mechthilds Zuflucht gab es hier
nichts, was sie einsperrte.
Auf dem Weg zum Gesindehaus ging sie am Brunnen
vorbei und wusch sich den Ruß vom Gesicht. Für ihr Kleid konnte sie
nicht viel tun, was ihr leidtat, denn so ein hübsches Stück würde
sie nicht so schnell wieder bekommen. Noch einmal wollte sie sich an
den Truhen im Gesindehaus bedienen und dann nicht mehr die
Wohltätigkeit der Gelehrtenfrau in Anspruch nehmen.
Ja, aber was dann? Wo sollte sie ihr Kind
bekommen? Elße biss die Zähne zusammen. Alles besser als ihre
bisherige Unterkunft. Und wenn sie tatsächlich ihren Sohn oder ihre
Tochter wie eine Hündin im Straßengraben zur Welt brachte, dann
ging es ihr noch immer besser als bei Frau Mechthild.
Auf der Wiese erhoben sich zwei saubere Grabhügel
mit akkurat errichteten Kreuzen. Am einen hing der Bernstein mit der
Ameise, am anderen die schlichte goldene Kette mit dem seltsam
geformten
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