Die Huren des Apothekers
diese schleppten auch die Gäste Decken und Kissen herbei, die
trotz aller Bemühungen nicht für alle reichten. Magdalene
dirigierte von der Treppe aus alles, ihr zur Seite Trine und die Zofe
Alheit, die sich dadurch auszeichnete, dass sie überhaupt nichts
tat. Nesse und Rosa verteilten appetitlich duftende Brühe in
Steinguttassen, die dazu führte, dass endlich einige der jungen
Frauen sich auf dem Boden niederließen.
»Zia!«, begrüßte Lukas sie mit deutlicher
Erleichterung. »Bei der Gnade Gottes, wo bist du gewesen?«
Sie zog ihn durch die Eingangstür nach draußen
und schmiegte sich an seine Brust. So stark, so beständig! Genau
diesen Halt benötigte sie jetzt dringend. »Du wirst nicht glauben,
was geschehen ist«, murmelte sie in sein nach Lavendel duftendes
Nachthemd, über das er nur Rock und Hose geworfen hatte. Endlich
konnte sie beichten.
»Ewalt sagt, es seien wohl Räuber gewesen, die
das Haus überfallen haben. Die Knechte hätten tapfer gekämpft,
seien aber erschlagen worden und liegen hinter dem Haus.«
Luzia zögerte, dann nickte sie. Eine gute
Geschichte. »Ich war spazieren, weil ich wieder nicht schlafen
konnte, da habe ich alles gesehen.« So viel Wahrheit genügte.
»Großer Gott, Zia, welche Gefahr für dich!« Er
nahm ihre Wangen in die Hände und betrachtete sie besorgt.
»Keine Angst!« Luzia lächelte.
»Du kennst mich, mir geschieht schon nichts. Sie haben mich nicht
einmal bemerkt. Aber ich konnte nicht fort, bis es schon brannte.
Besteht Gefahr für unser Haus?«
Lukas sah zu dem flackernden Nachbarhaus hinüber.
»Wohl kaum. Die Entfernung reicht, dass der Brand nicht übergreifen
kann. Wir haben kaum Wind, aber der steht auf den Abhang. Da es die
letzten Tage geregnet hat, wird wohl auch der Funkenflug letztendlich
erstickt. Trotzdem werde ich so schnell wie möglich Ewalt
herumschicken, um kleine Brandherde zu löschen. Weißt du, was aus
den Nachbarn geworden ist?«
»Henslin hat es wohl nicht aus dem Gebäude
herausgeschafft. Und Mechthild … Ich weiß es nicht. Warum konnte
sie nicht in Fulda bleiben?«
»Scht, Liebes! Gräme dich nicht. Vielleicht ist
sie jetzt in einer besseren Welt.«
Lukas missverstand gründlich ihre Verzweiflung.
Nein, sie trauerte keinesfalls um eine Freundin, zumal sie überhaupt
nicht wusste, was diese gerade machte. Luzia hoffte nur, dass dieses
böse Weib mit ihrer Schuld weiterleben musste, bettelarm, abgebrannt
und angeklagt des Mordes.
Hinter Lukas‘ Rücken zog das Kutschpferd
Mechthilds Reichtümer in Richtung des Gesindehauses, geführt
eindeutig von dem Henker, auf dem Bock ein zusammengesunkener Mann,
dessen helles Haar einen Kranz um seinen Kopf bildete. Es sah nicht
so aus, als ob Mechthild bei den beiden wäre. Luzia zog Lukas in die
entgegengesetzte Richtung.
»Lass uns nachsehen, ob das Feuer sich nicht
ausbreitet.«
Widerstandslos folgte er. Wahrscheinlich hatte
auch er genug von der schnatternden Mädchenhorde und genoss es, mit
seiner Gemahlin eine Weile allein zu verbringen.
Das Dach des Hauses brannte lichterloh, auch aus
den Fenstern des ersten Stocks loderten Flammen, aber das Erdgeschoss
wirkte völlig unberührt. Während oben die Fenster alle zersprungen
waren oder Feuerzungen zwischen den Läden hervorschossen, sah Luzia
unten noch nicht einmal Licht hinter dem vergitterten Glas der
Fenster.
Auch Lukas bemerkte das. »Der Anbau brennt von
unten nach oben, aber das Haupthaus fing über den Dachboden Feuer.
Das hätte eine gute Brandwehr verhindern können.«
»Ja, durchaus.«
»Nur Glück, dass ich meine Berechnungen für den
Landgrafen beendet habe. Bei dieser Aufregung käme ich nicht mehr
dazu.« Er wandte kurz seinen Blick von der Feuersbrunst ab, um sie
anzusehen. »Danke, dass du meine Notizen wiedergefunden hast. Jetzt
kann ich ihm ohne schlechtes Gewissen sein Horoskop schicken.«
Der erste Lichtschein flackerte in dem Fenster,
das zum Raum neben dem Eingang gehörte. Eine Gestalt erschien
dahinter, die eindeutig einen Ausgang suchte. Sie gestikulierte und
schlug gegen das Glas.
»Da ist noch jemand!«, rief Luzia. »Mechthild?«
Lukas brauchte keine Schrecksekunde, um auf das
Haus zuzulaufen. Wie Tropfen fielen Stücke des brennenden Dachs von
der Regenrinne, vor denen er sich mit über dem Kopf verschränkten
Händen schützte. Er rannte direkt zum Eingang, der noch immer
unberührt aussah. Gleich griff er nach der Klinke, rüttelte daran,
warf sich gegen die Tür. Luzia wusste, wie massiv
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