Die Huren des Apothekers
Ihr hättet alle Frauen
aus dem brennenden Haus gerettet und dabei Euer eigenes Leben
riskiert. Respekt, Respekt!«
Bescheiden senkte Lukas das Gesicht.
»Die Notwendigkeit zwang mich dazu.«
»Ja, sieh nur, Theodor«, fiel Hilde ein, »das
ist wahres Heldentum!«
Lukas winkte ab. »Aber nicht doch. Viel
aufregender gestaltete es sich, all die notleidenden Frauen
unterzubringen. Wir nahmen sie für die Nacht auf, was die
Nächstenliebe fordert, jedoch – ich muss es Magdalene als
gestrenge Herrin über das Gesinde hoch anrechnen – ich wusste
nicht, wie hart das Geschnatter einer solchen Herde zu ertragen ist!
Meine Arbeit fordert jeden Einsatz von mir und an diesem einzigen Tag
zersetzte all dieses Zwitschern und Trällern mein Nervenkostüm so
sehr, dass all meine Säfte in Unordnung gerieten. Darum bejubelte
ich nahezu den Vorschlag meiner Schwester, dieses Mixtum compositum
in unserem Stadthaus unterzubringen.«
»Ist denn die Instandsetzung abgeschlossen?«,
wollte Hilde wissen.
Luzia überließ Lukas die Antwort, weil sie wohl
nicht hätte ausreden dürfen. »Wie man es nimmt. Ich begann
seinerzeit mit den Reparaturen, um meiner Gattin ein geselligeres
Daheim zu bieten als meine einsame Sternwarte auf dem Lahnberg,
jedoch für all diese Frauen entstanden natürlich ganz andere
Bedürfnisse. Darum wurden wieder Wände eingezogen, wo ich mich auf
weiträumige Zimmer gefreut hatte, Heizungen installiert in Räume,
die kühl sein sollten, nicht zu schweigen von der Anzahl der
Aborte.«
Hilde rümpfte die Nase und wandte sich
demonstrativ ab, während Theodor sich neugierig vorbeugte. »Und es
sollen tatsächlich Ärzte Anteilnahme geäußert haben?«
Mit unverhohlenem Stolz nickte Lukas. »Es
bestehen Bestrebungen, das Geburtshaus der medizinischen Fakultät
anzuschließen. Das würde natürlich meinem Bestreben nach Förderung
der Wissenschaften entgegenkommen. Womit ich zum eigentlichen Zweck
meines Besuchs gelange … nicht, dass ich nicht auch sonst gerne
Eure Gastfreundschaft genösse …«
Luzia erbrachte ihren einstudierten Einsatz: »Mein
Gatte bittet darum, dass Ihr, werter Professor, Euch im Kollegium
einsetzt, damit den ärmsten Weibern im Geburtshaus gelegentlich
ärztlicher Beistand gewährt wird. Das würde doch einen Gewinn für
die Ausbildung der Studenten bedeuten, die beizeiten vielleicht auch
als Leibarzt eines Potentaten dessen Gemahlin betreuen werden.
Kenntnisse auf solchen Gebieten werden ihnen zumindest nicht
schaden.«
»Besser als meine Frau Gemahlin hätte ich es
nicht ausdrücken können.« Lukas lobte sie mit einem zärtlichen
Blick.
Die beiden
Professoren spazierten ins Gespräch versunken zum Herrenzimmer,
während Hilde Luzia in den Damensalon führte. Eine Parfümwolke
konnte nicht den Muff aus den Ecken vertreiben. Genau betrachtet sah
es hier eher aus, als ob die Sitzmöbel ausgeliehen wären, so wenig
passten sie zum Rest des Raumes. Ein Spinnrocken sah noch unter einem
für den vorgegebenen Zweck zu einfachen Schrank hervor und das
Kohlebecken, mit dem das Zimmer notdürftig erwärmt wurde, fand nur
über das spaltbreit offenstehende Fenster Abzug.
Lächelnd ließ Luzia sich ein Glas Wein
servieren, das die Magd so vorsichtig behandelte, als ob es ihr Leben
kostete, wenn sie es fallen ließe. Hilde trank aus einem nicht dazu
passenden Gefäß, das sich allerdings genauso farblich mit der
Karaffe biss wie das Luzias.
»Deiner Schwägerin gefällt die neue Aufgabe?«,
fragte Hilde, und diesmal schien sie wirklich der Antwort zu
lauschen, denn sie beäugte Luzia aufmerksam.
»Es befriedigt sie, anderen zu helfen.« Sicher
gefiel es Magdalene! Endlich konnte sie Verantwortung übernehmen,
Bücher führen, beim Geschäftemachen feilschen und alle
herumkommandieren, ohne dass ihr jemand vorwarf, sie sei unweiblich,
denn es geschah ja alles nur im Dienste der Wohltätigkeit. Und –
Luzia unterdrückte ein Grinsen – sie hatte Alheit mitgenommen.
»Von den armen Frauen haben einige so viel Elend erlebt, dass
Magdalene bei deren Geschichten häufig die Tränen kommen. Daher
widmet sie ihnen all ihre Kraft, um ihnen ein besseres Leben zu
ermöglichen oder sie zurück auf den rechten Pfad zu leiten. Doch
einige hatten ihn nie verlassen, wurden nur von Gott geprüft und
ergeben sich ihrem Schicksal. In der Stadt wird Magdalene viel mehr
Beistand gewährt als früher Frau Mechthild auf dem Berg.«
»Das versteht sich. Gleich in der Nähe das
Elisabethenstift und die
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