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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Satansmesse. Fand eine solche jede Woche statt, wenn der
Apotheker hier übernachtete? Luzia schlang ihre Arme dicht um sich,
um das Zittern ihrer Hände zu beherrschen. Kurz schwindelte es ihr
und sie verlor die Orientierung. Woher war sie gekommen? Ein Blick
zurück zeigte ihr den Weg und sie beruhigte sich. Sie konnte die
Frau dort nicht ihrem Schicksal überlassen, sie musste einen Weg
finden, ihr zu helfen.
    Auch hier gab es die halbhohen Trennwände mit den
vielen Durchgängen. Sie konnte an dem Apotheker vorbei in eine der
Nischen sehen, in welcher der Sarkophag der Mumie stand, der Luzias
Aufmerksamkeit unter anderen Umständen gefesselt hätte. Selbst
jetzt verweilte ihr Blick länger als nötig auf dem Kasten, dessen
Bemalung ihr in kräftigen Farben entgegenleuchtete. Auf halbem Weg
zwischen Sarg und Apotheker befand sich ein Tisch, auf dem eine helle
Gestalt lag. Nach einem weiteren Blick auf den Apotheker huschte
Luzia um die Trennwand herum, um vielleicht durch eine andere Lücke
des Labyrinths einen besseren Blick zu erhaschen. An drei Zimmern mit
Bündeln von Lumpen, zerbrochenen Möbeln, vollen oder leeren Kisten
und Körben und an einem Haufen bleicher Knochen vorbei fand sie
einen Durchschlupf zum Mumienkasten. Von hier aus sah sie den
Apotheker von hinten, was ihr ein wesentlich besseres Gefühl gab,
und erkannte genau, worum es sich bei der Gestalt auf dem Tisch
handelte: ein Mensch, dicht eingewickelt in graue Leinenbinden. Ihr
Blick huschte zu einem der Bündel in dem Raum, den sie gerade
durchquert hatte. Genau solche Bandagen steckten dort in einem
Kasten, wirr zusammengeknüllt.
    Der Mensch lag regungslos mit lang ausgestreckten
Beinen und über der Brust gekreuzten Armen. Eindeutig tot. Dies also
war wohl die Mumie aus Ägypten. Genauso hatte Luzia sie sich
vorgestellt, mit Sorgfalt und Ehrfurcht behandelt, nicht in die Ecke
geworfen wie ein Stück Müll. Der Luftzug trug aromatische Gerüche
zu Luzia, eindeutig ausgehend von dem Toten.
    Ein leises Stöhnen lenkte Luzia ab. Die Frau
scharrte mit den Füßen auf dem Bretterboden. Vergeblich drehte sie
die Schenkel, damit ihr weit vorgewölbter Leib eine bequemere
Position erlangte. Unwillig warf Henslin die Feder auf den Boden,
wobei sie eine Spur schwarzer Spritzer auf den Planken hinterließ,
dann stemmte er die Fäuste in die Hüften und brüllte die Frau mit
überschlagender Stimme an. Er kreischte so unbeherrscht, dass Luzia
kaum eine Silbe verstand, bis er sich etwas beruhigte. Er ging auf
die Frau zu, umrundete sie und sprach etwas besonnener. So vermochte
Luzia Sinn in seine Worte zu bringen, selbst wenn er ihr den Rücken
zukehrte und der Frau seine Schmähungen ins Gesicht spie.
    »Nichts vermagst du, eine elende Hure, die wie
eine Made im Speck das Vermögen meiner Frau auffrisst, nur frisst
und frisst, bis sie platzt und aus ihrem Leib ein neuer Wurm quillt,
der auch nur wieder fressen kann. Dankbar solltest du sein, dass dein
minderwertiges Dasein und die verkommene Frucht deines Leibes einem
höheren Zweck dienen werden! Der winzige Funke deines Verstandes
erkennt noch nicht einmal, wie wichtig meine Erkenntnisse sind, wie
bahnbrechend mein Beitrag zur Wissenschaft das Wohlergehen der
Reichen und Mächtigen verändert. Meine Arznei ermöglicht Königen
und Kardinälen, Kaisern und Päpsten ihre Wohltaten dem Pöbel bis
ins Greisenalter hinein anzugedeihen, ohne dass Gliederreißen und
Schwachsinn ihrer Weisheit Abbruch tun. Begreifst du, was es
bedeutet, wenn ein einzelner Herrscher über Generationen hinweg
regiert? Unangefochten durch Krankheit und Altersbeschwerden baut er
seine Macht aus, verwirklicht all seine Pläne ohne Rücksicht auf
Erbschleicher und undankbare Nachkommen. Weißt du überhaupt, was
mir die Mächtigen dafür zahlen werden? Nein, nicht Geld allein,
sondern sie werden mich belohnen mit allem, was ich begehre: Macht,
Diener, sogar Sklaven, mit denen ich machen kann, was immer mich
gelüstet, ohne Heimlichkeit. Ein Mann mit meinen Fähigkeiten hat es
nicht nötig, sich zu verstecken. Bald, bald ist es soweit!«
    Was, bei allen Heiligen, besaß dieser Verbrecher
so Großartiges, dass er solche Reden schwang? Lukas wusste um mehr
Geheimnisse als die allermeisten Menschen, sogar um ein Bedeutendes
mehr als seine hochgelehrten Kollegen an der Universität, trotzdem
würde er nie mit solcher Herablassung eine schutzbedürftige Frau
quälen. Empörung brodelte in Luzia, bis sie kaum noch stillhalten
konnte.

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