Die Huren des Apothekers
Beobachtungsverhältnissen anzugleichen. Jeder Federstrich wurde dutzende Male von mir kontrolliert. Sie stimmt. Ich verwette mein Seelenheil darauf!«
»Ja aber hast du den Namen Kepler erwähnt oder nicht?«
Verwirrt schaute er ihr ins Gesicht. »Du meinst, ich solle mich nicht mit fremden Federn schmücken? Kepler schrieb nur Naturgesetze nieder wie weiland Herr Isaac Newton aus Engelland oder der griechische Philosoph Archimedes, die mit ihren Formeln die Körperwissenschaften bereicherten.«
Magdalene packte Lukas‘ Wange und zwickte sie wie bei einem kleinen Jungen. »Gerade diese fremden Federn geben deinen Berechnungen Gewicht, du dummer Bub! Wenn du nicht sagst, dass sie vom größten Meister der Sternengucker überhaupt stammen, wird dir dieser Ignorant nicht glauben.«
»Du meinst … du meinst tatsächlich, dass ihm vielleicht die Existenz dieser Tabellen nicht einmal bekannt ist? Dass er noch immer nach Grundsätzen aus dem vorigen Jahrhundert arbeitet? Magdalene, das wäre ja … Nein, ich darf es nicht annehmen.«
Seufzend drehte Magdalene sich herum und schritt zurück in das Speisezimmer. »Bruderherz, du weißt, dass wir uns hier in der Provinz befinden. Aberglaube regiert die Universität. Rechne nicht mit so aufgeklärten Gemütern wie in Prag oder Paris! Trine, die Gedecke unserer Gäste können abgeräumt werden. Trotzdem werden wir uns den Nachtisch munden lassen. Was hat Nesse denn gezaubert?«
»Apfelschnee, Herrin«, beeilte sich die Kammerfrau. »Mit Korinthen, Mandeln, Butter und feinen Gewürzen. Sie machte dem Gewürzhändler die Hölle heiß, damit er genügend Zimt brachte!«
Nach dem ungemütlichen Klappern des Geschirrs, während die Mägde den Tisch aufräumten, schwiegen alle, aber als der Nachtisch serviert war und die Mädchen den Raum verlassen hatten, konnte Luzia ihr Lachen nicht mehr verstecken.
»So gefällt es mir viel besser!«
»Ausnahmsweise muss ich dir recht geben.« Magdalene seufzte.
»Nein.« Lukas nahm noch einen Löffel der Schaumspeise und schüttelte den Kopf. »Ich sitze hier im Elfenbeinturm und verliere den Blick für die Welt. Zugegeben, Weinzier erfüllte wohl nicht die Voraussetzungen, die ich an erfrischende Unterhaltung stelle, aber ich sollte mich öfter in Gesellschaft begeben.«
»Die letzte Festlichkeit des Landgrafen hast du abgesagt«, bemerkte Luzia und hörte selbst, wie spitz sich ihr Ton anhörte. Auch sie belastete die Einsamkeit dieses Anwesens. Sie sah jeden Tag immer nur die gleichen Gesichter um sich herum. Früher hatte sie die Stadt verlassen, wenn sie alle Bewohner kannte. Jeder Tag barg seine eigenen Abenteuer, eine Gefahr, die sie mit Geschick umschiffte, etwas Besonder es, das ihre Neugier besänftigte. Die ersten Monate ihrer Ehe forderten sie genug damit, dass sie all die neuen Konventionen erlernen und erfüllen musste, zu einer Dame wurde. Doch jetzt erdrückte sie der Alltag. Ja, auch ihr würde es guttun, andere Menschen zu treffen. Aber nicht unbedingt Hilde Weinzier.
»Für morgen werden wir die Einladung der Nachbarin annehmen.«
Magdalenes Miene machte jeden Widerspruch zwecklos. Doch Luzia hatte gar nicht vor, ihr Opposition zu bieten. Im Gegenteil. Sie hatte das Innere des düsteren Nachbargebäudes noch nicht zu Gesicht bekommen und spielte schon mit dem abwegigen Gedanken, nachts dort einzubrechen, um nicht weiter in Unwissenheit leben zu müssen. »Gerne«, antwortete sie deshalb.
»Wenn es sein muss«, erwiderte auch Lukas. »Obwohl ich eher an akademische Gesellschaft gedacht hatte.«
»Oh, der Apotheker hat einen hervorragenden Ruf. Seine Arzneien sind rein und helfen, wenn man ihrer bedarf. Die Ärzte der Stadt schwören auf ihn und loben, wie vollständig seine Bestände seien. Vielleicht kannst du mit ihm sogar über deine alchemistischen Experimente reden«, ereiferte sich Magdalene.
»Ach, schön wäre es. Wie sehr ich doch einen gelehrten Disput vermisse!«
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Ehrfürchtig strich Wendelin über die gewellte Schneide des Schwertes. »Es ist so schwer, ich kann es kaum halten«, stieß er hervor.
Frank streckte abwehrend die Hände aus, um den Burschen daran zu hindern, das Schwert vollends aus seinem Versteck zu ziehen. Wie schnell konnten so ungeschickte Hände sich daran verletzen! Kurz bevor er Wendelin vom Bett wegziehen konnte, erinnerte er sich daran, wie schreckhaft der Gehilfe war.
»Wendelin, bitte lass das Schwert los«, sagte er ruhig, obwohl er am liebsten geschrien
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