Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
Vom Netzwerk:
er die Aufgabe begriff. Auch die Erfüllung seiner letzten Anordnung sollte Frank tunlichst kontrollieren, denn zu oft kam dem Burschen ein plötzlicher Hunger oder Durst dazwischen, die ihn ablenkten. Dann wusste er vielleicht gar nicht mehr, was er gehießen war.
    Dass ungestalte Kinder vom Teufel ausgetauscht worden waren, bezweifelte Frank. Einige Hebammen, bei deren Inquisition er zugegen war, hatten geschworen, dass so manches Kind verkrüppelt auf die Welt kam und die Mütter sich nur herausredeten, indem sie behaupteten, es sei schön geboren und vertauscht worden. Mancher Buckel oder Klumpfuß käme durch einen Sturz, wenn eine ungeschickte Mutter das Kind fallen ließ. Eine Hebamme hatte sogar gewagt, Väter zu bezichtigen, die oft zu alt für gesunden Nachwuchs seien, Gottes Strafe für lüsterne Greise. Wenn jemand wusste, wann gelogen wurde, dann Frank, dessen Aufgabe es war, die Wahrheit herauszufinden.
    »Hast du den Pranger gescheuert?«
    Die dunkle Stimme des Scharfrichters schreckte Frank aus seinen Gedanken. Ertappt wandte er seinem Dienstherrn das Gesicht zu.
    »Scheuern? Weshalb das?«
    »Weil die Schneidersfrau draufgekotzt hat, während Gernot ihr den bloßen Arsch mit der Rute bestrich. Sieh zu, dass der Idiot Wendelin die Brocken abkratzt, damit sich morgen keiner der Zuschauer ekelt«, erklärte Ottmar gelangweilt.
    Mit kritischem Blick schritt der Scharfrichter über den Richtplatz, hielt Wendelin mit dem Rad auf und kontrollierte selbst, ob es noch zu gebrauchen war. Schlecht gelaunt schickte er seinen Gehilfen weiter und klapste ihm im Weggehen noch auf den Hinterkopf. Ohne Abschied machte er sich wieder auf den Weg. Vom Herrenhaus auf dem Lahnberg schallte dumpf die Turmuhr elfmal. Wahrscheinlich befand der Henkersmeister sich auf dem Weg ins Hurenviertel, wo er seinen Anteil einforderte und sich dabei noch ein wenig Vergnügen machte. Nicht wegen der abzugebenden Kupferstücke, sondern weil ihnen die Gefälligkeiten nicht gefielen, die ihr Herr ihnen abverlangte, versteckten sich die Dirnen vor ihm, gingen sogar die peinliche Strafe ein, wenn er sie erwischte.
    Nein, lange hielt auch Frank es nicht unter einem solchen Meister aus. Sobald er eine Spur von Bärbel fand, würde er sich verabschieden.

Kapitel 2 – Mumia vera aegyptiaca
    Hilde plapperte ununterbrochen. Es fiel Luzia schwer, eine Lücke zu finden, in der sie ihren Gästen einen Leckerbissen aus Nesses Küche empfehlen konnte. Dafür konnte sie selbst das Essen genießen, musste nur gelegentlich Frau Hilde anschauen und verständig nicken. Der Hirschbraten war Nesse vorzüglich gelungen und Luzia beschloss, den Jäger des Landgrafen demnächst öfter um ein gutes Stück zu bitten. Nur musste sie ihn wieder überreden, es unter der Aufsicht ihrer eigenen Köchin reifen zu lassen – was sie nicht übertreiben wollte -, weil sie den Gedanken nicht ertrug, dass auf ihrem Essen die Maden herumkrochen. Er allerdings war der Meinung, erst dann entwickle sich der rechte Wildgeschmack.
    »Dein Gatte jagt?«, fragte Hilde und balancierte auch ein Stück Fleisch auf ihrer Gabel. Man merkte ihr an, dass sie selten Besteck benutzte.
    »Nein, dazu fehlt ihm die Zeit«, antwortete Luzia, nachdem sie ihren Brocken geschluckt hatte. »Der Landgraf gestattet uns, von seinem Jäger die besten Stücke auszusuchen. Das Fleisch wird in Buttermilch gebeizt«, fügte sie hinzu in der Hoffnung, dass Hilde sich für Rezepte begeistern könne. Aber weit gefehlt.
    »Der Jäger des Landgrafen gehört auch zu den Männern, die ihre Hände nicht bei sich selbst lassen können. Jetzt hat er doch schon die wunderhübsche Tochter der Einhausener Bäckerin geheiratet und noch immer ist nicht genug. Starrt der unverschämte Kerl doch jedem Rock hinterher und treibt sich in dunklen Ecken herum! Bei der Gesellschaft, in der er sich bewegt, ist das ja auch gar kein Wunder. Ich sage immer …«
    Lächelnd und nickend ließ Luzia das Geschwätz an sich vorbeiziehen, steuerte gelegentlich ein »ah« und »oh« bei und lauschte mit dem anderen Ohr dem Gespräch zwischen Lukas und seinem Kollegen Weinzier, so wie es Magdalene schon die ganze Zeit tat und dabei stumm auf ihren Teller starrte.
    »… mit einer Formel aus diesem Büchlein« - Lukas zog eine dünne Broschüre, die Luzia das letzte Mal neben seinem Teleskop gesehen hatte, aus seiner Rocktasche und hielt sie hoch - »berechnen, wo der Planet am nächsten Tag am Firmament stehen wird. So wichtig auch die

Weitere Kostenlose Bücher