Die Huren des Apothekers
Schwerlich. Ohne fromme Spenden wäre es mir unmöglich, Gottes Werk zu verrichten. Wie dankbar bin ich den vielen Pilgern aus der Stadt, die am Elisabethenstein beten und mir ein Almosen für seine Pflege dalassen.«
»Auch wir wollen gerne unseren Beitrag leisten«, versicherte Magdalene schnell. »Wie viele Mädchen gibt es hier?«
»Heute zählte ich dreiundvierzig bei der Andacht und dennoch musste mein Gemahl eine Stunde auf sein Frühstück warten, wo doch seine Apotheke nur einmal die Woche gestattet, den Weg hier herauf zu bewältigen, und er sonst in der Stadt bleiben muss. Nicht eines der Mädchen besaß keine Ausrede!«
Während Luzia sich nun nicht mehr über die verhärmte Gestalt der Apothekerin wunderte, sah sie in Magdalene so etwas wie Neugier aufblitzen. Ihr verstohlener Blick musterte die Nachbarin, später würde Luzia ihre Schwägerin necken, ob sie die Gesundheit abgeprüft und die Lebensdauer berechnet habe. Es würde sie nicht wundern, wenn Magdalene nach Lukas‘ astronomischen Karten ein Horoskop für Frau Mechthild erstellte, das sie nach einem vorzeitigen Tod untersuchte. Einen Mann, der sie nur einmal die Woche belästigte, der Alptraum jeder Gattin, das wäre eine Option für die prüde Magdalene.
»Dich empört das nicht?«
Hitze färbte Luzias Wangen. Wo sie doch früher so gut ihre Miene kontrolliert hatte, zerstörte die Schwangerschaft immer dann ihre Bemühungen, wenn es darauf ankam. Was musste sie auch grinsen wie ein Honigkuchenpferd? »Oh doch, selbstverständlich, Nachbarin. Dreiundvierzig Mädchen und keine hat Zeit für deinen Gemahl? Unerhört! Andererseits – mir geht der Gedanke durch den Kopf, so manche Hübsche von denen würde dem meinen Gatten ein Frühstück bringen …«
»Dies, Frau Luzia, gerät oft zu einem Problem. Nicht von ungefähr befinden all diese Weiber sich in Schwierigkeiten. Oft schon beklagte mein Gatte sich über unschickliche Angebote. So manche von ihnen versteht kein anderes Gewerbe, als sich eben auf diese Weise den Unterhalt zu verdienen. Solcherart – wollen wir es ihnen nicht als Boshaftigkeit auslegen – möchten gar einige ihre Dankbarkeit ausdrücken.«
»Wie schmählich!«, empörte sich Magdalene.
»Ich bewundere deine Geduld«, stimmte Luzia zu. In letzter Zeit quälte sie die Eifersucht wie nie zuvor im Leben. Noch vor einem halben Jahr dachte sie von sich, es gelassen zu erleiden, sollte Lukas sich etwas von einer anderen holen, doch mittlerweile brachte sie allein die Überlegung zur Weißglut.
»Man muss die Weiber auf andere Gedanken bringen.« Frau Mechthild seufzte. »Mein Tagwerk besteht darin, sie zu beschäftigen. Nicht eine Minute des Tages darf unausgefüllt bleiben, damit sie nicht auf dumme Einfälle kommen. Gleich nach dem Aufstehen beten wir gemeinsam, des Weiteren dreimal am Tag. Da ich nicht die regelmäßige Hilfe eines Geistlichen bekomme, ähnelt mein Anwesen allerdings noch nicht im entferntesten einem Kloster.«
»Obwohl ich die Sauberkeit und Ordnung loben muss und vor allem die Ruhe. Wenn so viele Menschen beisammen leben, vor allem so viele junge Mädchen, die oft zanken, da muss doch manchmal Lärm entstehen!« Magdalene richtete sich aufmerksam auf.
»Strenge Disziplin, Frau Magdalene«, dozierte die Apothekerin mit aufgerichtetem Zeigefinger. »Ich toleriere kein Geschwätz, keine Dummheit und keinen Müßiggang.«
»Und auch die Knechte fügen sich darein?«, fragte Magdalene.
»Mit ihnen fand ich die eifrigsten Verfechter des Wohlfahrtsgedankens! Stets bemühen sie sich, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, kümmern sich um die Weiber, helfen nach Kräften.«
»Wo ich bei dieser Gelegenheit danken möchte für die Überlassung des Kutschers Jerg. Er reparierte in Windeseile ein gebrochenes Rad. Das rechne ich ihm gerne an.«
So nette Worte wie Magdalene hätte Luzia nicht gefunden für diesen groben Klotz, darum nickte sie nur lächelnd. Nicht ein Wort glaubte sie Mechthild! Überall sonst hätten diese Kerle mehr die Knute als Brot bekommen. Wenn Luzia aus dem Fenster sah, beobachtete sie die Knechte höchstens bei der Rast oder wenn sie sich auf einem flachen Felsen an der Grundstücksgrenze in der Sonne ausruhten. Entweder log Mechthild, dass sich die Balken bogen, oder es handelte sich bei ihr um die leichtgläubigste Person, die Luzia sich vorstellen konnte. Auch hatte Jerg ihr nicht den Eindruck gemacht, die Wohlfahrt seiner Mitmenschen auf seine Fahne zu schreiben. Nicht allein die
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