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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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ihren hektischen Atem. Ihr Geschick hatte sie gerettet, und genauso würde sie auch jetzt in keine große Gefahr geraten, weil sie sich auf ihre Fähigkeiten verlassen konnte. Außerdem war sie jetzt eine rechtschaffene Bürgerin, deren ehrenwerter Gemahl im Nebenhaus auf sie wartete.
    Ein Gemahl, der ihr die Hölle heiß machen würde, wenn er wüsste, was sie hier trieb.
    Wollte sie nun hinter das Geheimnis kommen oder nicht? Sie konnte jederzeit umkehren und vor Neugier in ihrem ehrenwerten Haus sterben. Luzia grinste und trat auf die nächste Stufe in die Finsternis.
    Das Pfeifen des Windes wurde mit der Zeit schmerzhaft in den Ohren, auf denen ihre Haube lag wie über Eiszapfen. Auch ihre Fingerspitzen fühlten sich klamm und unbeweglich an. Sie steckte die Hände unter die Achseln, um sie zu wärmen. Zwischen die Geräusche mischte sich etwas anderes, ein Wispern. Fließendes Wasser? Unter ihren Fingerspitzen wandelte sich die Backsteinmauer zu grob behauenem Felsen und ein Gewölbe überdachte die Treppe. Schon wieder wurde sie an Amorbach erinnert, wo eine Kapelle auf dem Keller einer geschleiften Burg errichtet stand. Die vergangenen Erlebnisse, auch die zunehmende Kälte ließen sie frösteln.
    Erst unten angelangt merkte sie, dass nicht nur Wasser murmelte, da jammerte auch eine Frau. Aber die Apothekerin geisterte doch im Haupthaus herum! Sie wäre unmöglich an Luzia vorbeigekommen, ohne dass sie es gemerkt hätte. Oder gab es ein zweites Treppenhaus auf der anderen Seite des Anbaus, direkt neben dem Gebärort? Auf jeden Fall hörte es sich nicht an, als ob Luzia eine Gefahr drohte.
    Um den Treppenabsatz herum lag ein etwas größerer Raum, in dem leere Kisten gestapelt wurden. Von hier kam auch das Plätschern des Wassers. Eine ergiebige Quelle mündete hier, unterhalb des Hauses, die über einen Abfluss im Boden abgeleitet wurde. Da das Wasser irgendwohin musste, gab es wohl einen Durchstich zum Hang des Ortenbergs, der genug Raum ließ für den Luftzug, der das gesamte Gebäude ungemütlich machte. Wie in einem Schornstein zog der Wind den Bach entlang, durch diesen tiefen Keller und im Dachgeschoss des Anbaus heraus. Dabei hätte es genügend Möglichkeiten gegeben, den Luftstrom zu unterbrechen. Man hätte nur die Tür oberhalb der Treppe, vor der Luzia gerade stand, abdichten müssen.
    Ein Lichtschimmer erhellte die Kisten so sehr, dass Luzia sich dazwischen zurechtfinden konnte und nichts mit lautem Gerappel umwarf. Das war nicht schwer, denn die Kisten lehnten an den Wänden und dazwischen gab es genügend Platz, um den gemauerten Bogen zu durchqueren, aus dem das Licht drang. Trotzdem verdoppelte sie ihre Vorsicht, denn sie kam dem Gejammer immer näher. Sie schaute sich um. Zur Not konnte sie in eine Lücke zwischen den Kisten und der Nische unter der Treppe schlüpfen. Dort würde sie niemand finden, wenn er sie nicht direkt suchte.
    Auf Zehenspitzen schlich sie durch den Bogen und fand sich in einem Gewölbe wieder, das sich unterhalb des gesamten Anbaus und auch des Haupthauses erstreckte. Regelmäßig wurde ihr Ausblick versperrt durch Stützsäulen, natürliche oder gemauerte, zwischen denen halbhohe Bretterwände Räume abteilten, sodass ein unübersichtliches Labyrinth entstand. Auch der Fußboden wies keine Einheitlichkeit auf. Nach ein paar Schritten über Steinfliesen führten einige Stufen herunter auf Sandboden, über den das Rinnsal in einem aus Ziegeln gemauerten Bett floss. Ein weiteres Stück zur Rechten hin stieg der Boden unter aufgelegten Brettern an und Nischen zwischen dem Gewölbe verbargen ihren Inhalt in Dunkelheit. Links lag ein Stück Lehmboden, bedeckt mit einem Lumpenteppich wie aus einem Bauernhaus, ein bequem aussehender Sessel stand darauf, daneben ein Tisch mit Stapeln von Büchern.
    Das Licht drang hinter einer Bretterwand hervor, die Luzia erst nach dem Passieren mehrerer Gänge erreichen würde. Dort wollte sie zunächst noch nicht hin, zuvor suchte sie Möglichkeiten, sich unauffällig zu bewegen und zu verstecken. Dazu boten sich die Nischen rechts an.
    Sand knirschte unter ihren Schuhen, als sie eines der Bretter betrat. Es bewegte sich unter ihr, Luzia musste sorgfältig ihr Gleichgewicht kontrollieren, damit es sich nicht anhob und später mit lautem Knall zurückfiel. So schob sie sich hochkonzentriert mit dem Blick auf den Boden gerichtet über den Balken. Etwas streifte ihren Kopf. Luzia zuckte zusammen, duckte sich und schaute hoch. Ein Erhängter

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